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Politisches Manöver? Kosovo will aufrüsten – Serbien protestiert

Zehn Jahre nach ihrer Unabhängigkeit wollen die Kosovaren eine eigene Armee gründen. Ein heikles Unterfangen auf dem Balkan.

Worum geht es? In Kosovo hat das von Nationalisten dominierte Parlament einen ersten Schritt zur Gründung einer eigenen Armee gemacht. Die für Katastrophenfälle bestimmte Zivilschutztruppe «Kosovo Security Force» soll in eine reguläre Militäreinheit umgebildet werden. Abgeordnete der serbischen Minderheit verliessen aus Protest die Parlamentsdebatte. Serbien kritisierte zudem die Pläne des Kosovo scharf. Verteidigungsminister Aleksandar Vulin erklärte in Belgrad, die Gründung einer Armee des Kosovo sei eine «Bedrohung für den Frieden» und bedrohe «Serbien und die Serben».

Nato seit 1999 für Sicherheit zuständig

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Seit dem Ende des Krieges 1999 ist die von der Nato geführte KFOR-Mission für die Sicherheit in Kosovo verantwortlich. Derzeit umfasst sie mehr als 4000 Soldaten. Kosovo hatte 2008 einseitig seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Seitdem haben mehr als 110 Staaten die Unabhängigkeit anerkannt. Die Schweiz gehört auch zu diesen. Serbien betrachtet Kosovo dagegen nach wie vor als seine Provinz.

Ist der Beschluss gültig? Das Parlament in Pristina hat die Gründung einer Armee gegen den Willen der kosovo-serbischen Parlamentarier beschlossen. Diese haben nun die Möglichkeit, die Prozedur vor einem Gericht in Frage zu stellen. «Und das werden sie sicher tun», sagt Dusan Reljic, Südosteuropa-Experte der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Somit sei nicht sicher, ob die Gesetzesvorlage tatsächlich implementiert werde.

Ist das Vorhaben realistisch? Für so einen wichtigen Schritt wie die Gründung einer eigenen Armee brauche man Unterstützung, sagt Reljic. Denn Kosovo ist nach wie vor ein internationales Protektorat, kein international anerkannter Staat mit einer Vollmitgliedschaft bei den Vereinten Nationen. Das heisst: «Alles, was die Regierung in Pristina unternimmt – und das gilt auch zu einem Grossteil für die Regierung in Belgrad – wird mit externen Mächten, vor allem mit der EU, mit Deutschland aber an erster Stelle mit den USA, abgestimmt.»

Droht ein neuer Kosovo-Krieg? Reljic kann sich nicht vorstellen, dass sich – egal in welcher Form – die Kosovo-Albaner und ihre Führung für eine aggressive militärische Auseinandersetzung mit dem Nachbarn Serbien entschliessen würden. «Das sind alles eher Schattenspiele, die darauf abzielen, eine bessere politische Position zu erreichen.»

Das sind Schattenspiele, die darauf abzielen, eine bessere politische Position zu erreichen.
Autor: Dusan Reljic Südosteuropa-Experte, SWP

Vor allem vor dem eigenen Publikum, so Reljic. Denn die Menschen in Kosovo und in Serbien sähen keine wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven. «In diesem Sinne ist die Anheizung der Atmosphäre etwas, was überall in der Region, und besonders in Pristina und Belgrad, immer wieder verwendet wird, um sich zu legitimieren und auch aus dem Ausland Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.»

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