Zum Inhalt springen

Polizisten in Gewahrsam Spannungen um Kosovo nehmen wieder zu

  • Serbische Sicherheitskräfte sollen drei Polizisten auf kosovarischem Gebiet entführt haben. Das sagt der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti.
  • Aus Belgrad hiess es dagegen, man habe die drei kosovarischen Polizisten auf serbischem Gebiet verhaftet.
  • Welche Darstellung stimmt, ist unklar. Sicher ist: Die Spannungen zwischen Serbien und Kosovo nehmen wieder zu.

Kurti schreibt bei Facebook, die drei Polizisten seien im Norden Kosovos von Serben festgenommen worden, etwa 300 Meter von der Grenze zu Serbien entfernt. «Wir vermuten, dass sie von der serbischen Armee entführt wurden».

Man gehe davon aus, dass dies ein Racheakt Belgrads sei, weil die kosovarische Polizei am Dienstag einen mutmasslichen Drahtzieher der blutigen Angriffe auf Nato-Soldaten Ende Mai im Norden Kosovos festgenommen hatte. «Der Einmarsch serbischer Streitkräfte in das Gebiet Kosovos ist Aggression und zielt auf Eskalation und Destabilisierung», so Kurti.

Die drei Polizisten führten laut Angaben aus Pristina auf kosovarischem Staatsgebiet Erkundungen über Schmugglerrouten durch, die von serbischen Kriminellen genutzt werden.

Kosovo schliesst Grenzen für Serben

Als Reaktion auf die Festnahme der drei kosovarischen Polizisten wies die Regierung die Grenzkontrolleure an, alle Fahrzeuge mit serbischen Kennzeichen anzuhalten. Faktisch sind damit die Grenzen für Waren und Fahrzeuge aus Serbien geschlossen.

Aus dem Innenministerium in Belgrad hiess es, die drei verhafteten Kosovo-Polizisten hätten einen «Terrorakt» geplant. Sie seien mit automatischen Waffen, Karten und GPS-Geräten ausgerüstet gewesen.

Peter Balzli: «Weitere Eskalationsstufe der Serben»

Box aufklappen Box zuklappen
Peter Balzli
Legende: srf/

SRF-Osteuropa-Korrespondent Peter Balzli sieht die aktuellen Spannungen im Licht des Grundkonflikts zwischen Belgrad und Pristina: Für Belgrad gehört das Gebiet von Kosovo zu Serbien, denn die Serben haben die Existenz Kosovos als eigenständiger Staat nie anerkannt. Kosovo dagegen sieht sich als souveräner Staat – wie das auch eine Mehrheit der Staatengemeinschaft inklusive die Schweiz sehen. «Jetzt hat die serbische Regierung eine neuerliche Eskalationsstufe gezündet», stellt Balzli fest.

Kosovo steht derzeit unter Druck der USA und der EU. Sie fordern, dass Pristina den sogenannten serbischen Gemeindeverband – den Zusammenschluss aller Gemeinden in Kosovo, in denen Serbischstämmige in der Mehrheit sind, endlich zulässt. Durch ein solches Zugeständnis soll der Konflikt entschärft werden. Doch Pristina weigert sich und beruft sich dabei auf die kosovarische Verfassung. Deshalb drohen USA und EU Kosovo jetzt mit Sanktionen. «Serbien versucht jetzt, die Situation eines Kosovos unter Druck auszunutzen und weitere Unruhe in die Lage zu bringen», sagt Balzli. Klar sei: Mit der Verhaftung der drei kosovarischen Polizisten sei eine Lösung im Konflikt in weitere Ferne gerückt: «Das ist ganz nach dem Geschmack der serbischen Regierung.»

Es brodelt schon länger in der Region

Ende Mai hatte ein serbischer Mob im nordkosovarischen Ort Zvecan Soldaten der Nato-geführten Schutztruppe KFOR mit Blendgranaten und Steinen angegriffen. Bei den Zusammenstössen wurden 30 KFOR-Soldaten und rund 50 Serben verletzt. Die KFOR-Einheit hatte ein Bürgermeisteramt bewacht.

Zwischen den beiden Nachbarländern schaukeln sich die Spannungen seit Monaten hoch. Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig erklärt, Serbien erkennt dies nicht an und verlangt die Rückgabe seiner ehemaligen Provinz. Im Norden Kosovos leben fast ausschliesslich ethnische Serben, im Rest des Landes fast nur ethnische Albaner.

SRF 4 News, 15.6.2023, 08:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel