Margate. Leicht bewölkt. Ebbe. Die Segelschiffe liegen auf dem Kiel. Die Menschen auf Liegestühlen. Dösend. Die Blicke leicht reptilienartig im Fernblau schwebend.
Wer sich in England keine Ferien im Ausland leisten kann – und das sind mittlerweile nicht wenige – fährt im Sommer an die englische Küste.
«Ich werde Dich immer lieben», steht an der Hafenmole. Das blau-grüne Salzwasser, das sie umspült, ist eiskalt. 16°C. Hier ist halb Nordsee, halb Ärmelkanal.
Und auf den Magen schlagen kann es einem ebenfalls. Englische Wasserwerke lassen Fäkalien regelmässig ungeklärt ins Meer fliessen, was die Sicht beim Schnorcheln ein bisschen trüben kann.
An Land hängt der Geruch von Tang, Salz und Fisch in der Luft. In der blau-weissen Bude am Strand werden Fish & Chips bei 150 °C frittiert, bis sie goldgelb sind.
Eher rötlich ist die leicht adipöse Kundschaft, die bei 28 °C an der Sonne gart. Für viele von ihnen ist Margate eine nostalgische Fahrt zurück in die eigene Kindheit.
Die Dichte an Krücken und Rollstühlen ist entsprechend gross. Neben Liegestühlen kann man sogar strandtaugliche Rollstühle mit planierraupenbreiten Gummirädern mieten. Diese schützen jedoch nicht vor einem Hitzestau.
Täglich rase bei schönem Wetter zwei- oder dreimal die Ambulanz mit Sauerstoff und Wasser herbei, wenn jemand kollabiere, berichtet der Bademeister.
Stündlich schlägt der Glockenturm, der vor fast 150 Jahren zu Ehren von Königin Viktoria errichtet wurde.
Die grossen Zeiten hat Margate jedoch längst hinter sich. Mit dem Pauschaltourismus kam der Niedergang der englischen Badeorte.
Margate, Brighton oder Eastbourne. Die Orte sind alle von einer ähnlichen Traurigkeit umfächelt.
Die viktorianischen Piers sind von Rost zerfressen. Die Liebe an der Hafenmole ist längst in eine Depression umgeschlagen.
Nirgends ist die Zahl der ökonomisch inaktiven Menschen, wie man Arbeitslose im Vereinigten Königreich neuerdings nennt, grösser als an der englischen Küste.
Wenigstens der Seewetterbericht der BBC ist heute hoffnungsvoll: «Moderate. Becoming good later.»