Bei der Präsidentschaftswahl in Ägypten vom März geht Amtsinhaber Abdel Fattah al-Sisi als einziger ernstzunehmender Kandidat ins Rennen. Zwar hat Mussa Mostafa Mussa seine Unterlagen für eine Kandidatur kurz vor Ablauf der Anmeldefrist am Montag noch eingereicht. Doch der Vorsitzende der liberalen al-Ghad-Partei gilt als Unterstützer al-Sisis. Mit diesem Kanidaten würde lediglich der Schein von Wettbewerb gewahrt, sagt Journalistin Astrid Frefel in Kairo im Gespräch.
SRF News: De Facto sind die Präsidentschaftswahlen in Ägypten also gelaufen. Was ist geschehen?
Astrid Frefel: In letzter Minute hat sich noch ein Gegenkandidat eingeschrieben. Er ist aber nur Dekoration, damit der Schein von Wettbewerb gewahrt bleibt. Alle anderen möglichen Kandidaten haben sich zurückgezogen oder sind ausgeschlossen worden. Dabei hat das Regime Druck oder Drohungen angewandt. Es gab auch logistische Hürden.
Derzeit gibt es in Ägypten einfach keine Atmosphäre für freie und faire Wahlen.
Derzeit gibt es in Ägypten einfach keine Atmosphäre für freie und faire Wahlen. Es herrscht hier ja auch noch Ausnahmezustand.
Es hat also eine systematische Verhinderung von Kandidaturen gegeben?
Es war eine Art Feinsteuerung. Man wollte keinen starken Gegenkandidaten für Amtsinhaber al-Sisi. Dieses Kalkül ist aufgegangen. Jetzt gibt es einen Mitbewerber aus dem Sisi-Lager. Damit wird es im Wahlkampf auch bestimmt keine harten politischen Auseinandersetzungen geben.
Wer wollte kandidieren und wurde daran gehindert?
Die potenziellen Kandidaten kann man in zwei Gruppen gliedern: jene aus dem Militärestablishment und die zivilen. Die beiden Kandidaten mit militärischem Hintergrund wären auch die aussichtsreichsten gewesen. Aber eine solche Zerreissprobe für die Armee sollte unter allen Umständen verhindert werden, denn al-Sisi ist als ehemaliger Armeechef der Kandidat der Armee.
Mit diesem Gegenkandidaten wird es im Wahlkampf auch bestimmt keine harten politischen Auseinandersetzungen geben.
Auch die zivilen Bewerber mit einer grösseren Gefolgschaft – da gab es einen aus dem linken und einen aus dem liberalen Lager – wollte man nicht, weil sie sicher Kritik an Teilen von al-Sisis Amtsführung und Entscheiden geübt hätten. Das hätte auch dem Image des Präsidenten nicht gut getan.
Einer der prominentesten abgewimmelten Kandidaten ist General Sami Anan. Wie hat man den früheren Armeechef aus dem Rennen genommen?
Als seine Kandidatur bekannt wurde, gab es als Erstes eine Schlammschlacht in den Medien mit dem Totschlag-Argument, er wolle die Muslimbrüder hinter sich scharen. Anan wurde dann von der Militärjustiz verhaftet mit der Begründung, als Reserveoffizier gehöre er immer noch der Armee an und hätte deshalb Papiere gefälscht. Armeeangehörige dürfen nicht kandidieren, es sei denn, sie hätten die Bewilligung der Armee. Anan hatte al-Sisi auch ganz offen kritisiert. Er warf ihm vor, er würde der Armee zivile Aufgaben übertragen, und die Demokratie mache keine Fortschritte. Das war ein Kandidat, den die Armeeführung nicht wollte.
Das Land brauche jetzt vor allem Stabilität, sagt Amr Moussa, die graue Eminenz der ägyptischen Politik. Sehen Sie das auch so?
Der Grossteil der Bevölkerung sieht das bestimmt so. Die Kampagne für al-Sisi steht auch unter dem Motto: Er soll fertig bauen, was er angefangen hat. Der Präsident gibt sich ein Image als Macher, indem er sehr viele grosse Projekte angefangen hat. Und Stabilität ist in der Bevölkerung wieder die oberste Maxime. Die Menschen wollen in Ruhe ihrem Alltag nachgehen. Dass diese Ruhe mit einer Politik der eisernen Hand erkauft ist, stört nur wenige Intellektuelle und Aktivisten.
Die Menschen wollen in Ruhe ihrem Alltag nachgehen. Dass diese Ruhe mit einer Politik der eisernen Hand erkauft ist, stört nur wenige Intellektuelle und Aktivisten.
Al-Sisi regiert im Alleingang. Das heisst, alle Entscheide werden von Sicherheitsorganen gefällt. Das Wenige an Konsultationen, das es unter Mubarak bei heiklen politischen Fragen mit der Zivilgesellschaft noch gab, ist ganz verschwunden. Al-Sisi kann zudem für sich in Anspruch nehmen, dass das Wirtschaftswachstum nun wieder über fünf Prozent gestiegen ist. Und das soll auf keinen Fall mit politischen Auseinandersetzungen gestört werden.
Intellektuelle und Wissenschaftler haben zum Boykott der Wahl aufgerufen. Der wird von der Bevölkerung gar nicht gehört?
Der Aufruf stammt von Leuten, die entweder potenzielle Kandidaten waren oder aus ihrem Umfeld. Ich glaube nicht, dass er grössere Kreise ziehen wird. Die Sisi-Kampagne wird sich aber enorm anstrengen müssen, um die Menschen aus ihrer Lethargie überhaupt an die Urnen zu bringen. Denn eine niedrige Stimmbeteiligung in diesem Popularitätstest wäre für den Präsidenten auch eine Schlappe.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.