- Der frühere französische Premier Manuel Valls ist bei der ersten Fernseh-Debatte mit Konkurrenten seines Lagers in die Defensive geraten.
- Der 54 Jahre alte frühere Premierminister verteidigte am Abend seine frühere Regierungsarbeit unter Präsident François Hollande. Dazu gehörten Entlastungen für Unternehmen, um den Arbeitsmarkt anzukurbeln.
- Anhänger der Sozialisten und verbündeter Parteien werden Ende des Monats in einer offenen Vorwahl ihren Kandidaten für die Präsidentenwahl im April und Mai wählen. Sieben Anwärter stehen zur Wahl.
- Gewinner des ersten TV-Duells des linken Lagers war nach Einschätzung von SRF-Korrespondent Michael Gerber der ehemalige Bildungsminister Benoît Hamon.
Mit einer ersten TV-Debatte ist der Kampf um die Präsidentschaftskandidatur bei Frankreichs Sozialisten in die heisse Phase eingetreten. Der Partei von Staatschef François Hollande droht bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr eine herbe Niederlage.
Alle Prognosen sagen voraus, dass die Linke vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen ausscheiden wird
Anderthalb Wochen vor der ersten Wahlrunde traten am Donnerstagabend der frühere Premierminister Manuel Valls, Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg und die fünf anderen Kandidaten im Fernsehen gegeneinander an.
Frankreich hätte dann nur die Wahl zwischen der «extremen Rechten» von Front-National-Chefin Marine Le Pen und der «harten Rechten» des konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon. Er werde dies nicht hinnehmen, sagte Valls.
Viele chancenlose Kandidaturen
In der ersten von insgesamt vier Fernsehdebatten ging es zunächst um die Ankurbelung der Wirtschaft, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Frage von Steuern und die Sozialsysteme.
Einschätzung von SRF-Korrespondent Michael Gerber
Die Sozialisten bestimmen in einer offenen Vorwahl am 22. und 29. Januar ihren Präsidentschaftskandidaten. Neben dem im Dezember zurückgetretenen Ex-Premier Valls und dem früheren Wirtschaftsminister Montebourg treten von der sozialistischen Partei die Ex-Bildungsminister Benoît Hamon und Vincent Peillon an.
Ausserdem bewerben sich der Grünen-Politiker François Rugy, der Mittelinks-Politiker Jean-Luc Bennahmias und als einzige Frau die Chefin der linksliberalen Partei PRG, Sylvia Pinel, um die Präsidentschaftskandidatur. Sie gelten aber als chancenlos.
Hollandes Bilanz
Staatschef Hollande hatte Anfang Dezember verkündet, nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Er zog damit die Konsequenzen aus seiner Unbeliebtheit bei den Wählern und dem fehlenden Rückhalt in den eigenen Reihen. Bei der Fernsehdebatte am Donnerstagabend ging es auch um Hollandes Bilanz.
Als einziger Teilnehmer zeigte sich Valls «stolz» auf die Arbeit der vergangenen Jahre. Der 54 Jahre alte Ex-Premierminister verteidigte seine frühere Regierungsarbeit unter Präsident François Hollande.
Brüsseler Stabilitätsregeln unter Feuer
Streit um Strategie
Montebourg, der im Sommer 2014 nach Kritik an Hollandes Reformkurs aus der Regierung geworfen worden war, bezeichnete die Bilanz des Präsidenten als «schwierig zu verteidigen». Hamon sagte, ihn überkomme das Gefühl des «Unvollendeten».
Der Wahlkampf bei den Sozialisten ist auch ein Streit über die künftige Ausrichtung der Partei. Valls steht als Vertreter des rechten Parteiflügels für einen unternehmerfreundlichen Reformkurs. Montebourg und Hamon sind prominente Vertreter des linken Sozialistenflügels.
Konservativer Fillon gilt als Favorit
Meinungsforscher sagen den Sozialisten derzeit so gut wie keine Chancen voraus, den nächsten Präsidenten zu stellen. Als grosser Favorit bei der Präsidentschaftswahl im April und Mai gilt vielmehr der Konservative Fillon. Der klare Sieger der Republikaner-Vorwahl vom November dürfte Umfragen zufolge zusammen mit Le Pen in die Stichwahl einziehen.
Die Sozialisten leiden nicht nur unter der Unzufriedenheit mit dem 2012 gewählten Hollande. Erschwerend kommt für die Regierungspartei hinzu, dass ihr bei der Präsidentschaftswahl auch zwei weitere Kandidaten aus dem linken Lager Konkurrenz machen werden.
Dies sind der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und Linksparteigründer Jean-Luc Mélenchon. Beide liegen in Umfragen derzeit vor den Sozialisten.
Die 7 Kandidaten der Linken
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Bild 1 von 7. Manuel Valls, Parti socialiste – der Favorit. Valls war unter Präsident Hollande zunächst Innenminister, dann ab 2014 Premierminister. Er vertritt in Einwanderungsfragen eine harte Linie, in Wirtschaftsfragen gibt er sich sozial-liberal. Sein grösstes Handicap ist, dass er Teil der Bilanz des unpopulären Präsidenten Hollande bleibt, obwohl er nun den linken Parteiflügel zu versöhnen versucht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 7. Arnaud Montebourg, Parti socialiste – Monsieur «Made in France» . Montebourg wurde als Wirtschaftsminister von Premierminister Valls aus der Regierung entlassen, weil er öffentlich die Wirtschaftspolitik von Präsident Hollande kritisierte. Montebourg fordert eine expansive Ausgabenpolitik Frankreichs, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ausserdem will er staatliche Beteiligungen an Industriebetrieben erhöhen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 7. Benoît Hamon, Parti Socialiste – der Kritiker. Hamon war Staatssekretär und dann Bildungsminister unter Präsident Hollande. Nach nur einem halben Jahr zettelte er mit Montebourg zusammen einen Streit an in der Regierung über die Wirtschaftspolitik und schied aus der Regierung aus. Als Präsident will er ein Grundeinkommen für alle Franzosen einführen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 7. Sylvia Pinel, Parti Radical de Gauche – die Aussenseiterin. Pinel vertritt bei den Vorwahlen die Partei der Links-Radikalen, der wichtigste Koalitionspartner der Sozialisten. Seit 2016 ist sie deren Parteipräsidentin. Als Staatssekretärin betreut sie das Dossier Wohnbaupolitik, zudem engagiert sie sich stark für die Regionalpolitik. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 7. François de Rugy, Parti écologiste – der Grüne. Nach der Spaltung des Grünen Bündnisses (Europe Ecologie Les Verts, EELV) 2015 gründete de Rugy seine eigene Partei, le Parti écologiste. Er ist dem rechten Flügel der Grünen zuzuordnen. Die Spaltung erfolgte, weil der linke Flügel der Grünen die Regierung von Hollande verlassen wollte. De Rugy vertritt eine grün-liberale Politik. Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 7. Vincent Peillon, Parti Socialiste - der Hollande-Verteidiger. Der EU-Parlamentarier unterrichtete seit seinem Rücktritt als Bildungsminister 2014 als Philosophie-Professor in der Schweiz. Seine Kandidatur ist eine Überraschung. Peillon tritt an, um die Politik von Präsident Hollande zu verteidigen und Kandidat Manuel Valls das Leben schwer zu machen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 7. Jean-Luc Bennahmias, Front démocrate – der Wandelbare. Bennahmias politisierte einmal im Kreise der Grünen und dann bis 2014 in der Mitte-Partei MoDem. Parteien sind für ihn eher ein Mittel zum Zweck. Er könnte als Freund Hollandes auch Mitglied der Sozialisten oder immer noch der Grünen sein. Dann hätte er aber zu viele Unterschriften benötigt, um kandidieren zu können. Bildquelle: Reuters.