Michelle Bachelet hat als Präsidentin (2014-2017) Chiles viel erreicht – trotz Fehlleistungen und Skandalen. Nun wird am Sonntag ein Nachfolger gewählt. Klar ist: Das Land hat sich während ihrer Amtszeit gesellschaftlich geöffnet.
Bachelets Erfolge
Ehescheidung als Startschuss: Es ist kein Zufall, dass eine Frau die soziale Ungleichheit zum Thema gemacht hat. Auch nach der Einführung der Ehescheidung (2004) war der Bedarf an Gesellschaftsreformen noch gross. Chile gilt als eines der konservativsten Länder Lateinamerikas.
Abtreibungsverbot gelockert: In Michelle Bachelets Amtszeit wurde dann das totale Abtreibungsverbot aufgehoben. Jetzt sind Schwangerschaftsabbrüche in Sonderfällen möglich, nach einer Vergewaltigung etwa oder wenn die Gesundheit von Mutter und Kind auf dem Spiel steht.
Eingetragene Partnerschaften: Geregelt ist neu auch das Zusammenleben von gleichgeschlechtlichen Paaren mittels eingetragenen Partnerschaften. Bachelets Mitte-Links-Regierung will noch einen Schritt weitergehen: Sie hat dem Parlament ein Gesetz unterbreitet, das Homo-Ehen samt dem Recht auf Kinder-Adoption vorsieht.
Bachelets Misserfolge
Heikle Geschäfte: Das Ansehen der sozialistischen Politikerin ist zu Hause angeschlagen. Umfragen weisen Zuspruchswerte von lediglich 30 Prozent aus. 2015 hatte Bachelets Sohn, der Regierungsfunktionär Sebastián Dávalos, immensen Flurschaden angerichtet: Dank Insiderinformationen riss er sich rechtzeitig zur Umnutzung bestimmtes Agrarland unter den Nagel. Wenig später verkaufte er das Land mit mehreren Millionen US-Dollar Gewinn weiter.
Partei im Zwielicht: Später gerieten Persönlichkeiten von Bachelets sozialistischer Partei ins Zwielicht. Niemand hatte stärker unter der blutigen Repression von Militärdiktator Augusto Pinochet gelitten als die Linken. Und ausgerechnet ihnen war nachzuweisen, wie sie sich vom schwerreichen Bergbau-Unternehmer und ehemaligen Pinochet-Schwiegersohn Julio Ponce Lerou über Jahre hinweg hatten schmieren lassen. Dazu wurde bekannt, dass der Vizepräsident der sozialistischen Partei mit einem Drogenkartell zusammenarbeitete.
Halbes Reformprojekt: Mit der Reform, mit der die kostenpflichtige Hochschulbildung abgeschafft werden sollte, hatte sich Präsidentin Bachelet übernommen. Nicht wie versprochen alle, sondern nur 60 Prozent der Studenten aus bescheidenen Verhältnissen können heute kostenfrei studieren. Und bereits fehlt dem Staat das Geld für die Bildungsfinanzierung. Bei der Erhöhung der Unternehmenssteuern kuschte die Regierungskoalition bei einem Hinterzimmer-Deal einmal mehr vor den Banken. Die hatten bestimmt: Bis hierher und nicht weiter.
Polit-Bündnis in Brüchen: Bachelets Bündnis aus Christdemokraten und Sozialisten wirkt heute verbraucht und ist gespalten. Für die kommenden Präsidentenwahlen hat man sich nicht auf einen Einheitskandidaten einigen können.
Wie geht es weiter?
Der mögliche Nachfolger: Rechtsgerichteten Wählern sind die Reformen ein Dorn im Auge. Linksgerichteten Bürgern gingen sie nicht weit genug. Ergebnis: Die Parteien um Bachelet werden bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen abgestraft. Was dem rechtsgerichteten Milliardär und Ex-Präsidenten Sebastian Pinera den Weg zurück an die Macht ebnen dürfte.
Hindernis Wirtschaftsordnung: Dem Bündnis fehlt und fehlte der Mut zu Korrekturen an der ultraliberalen Wirtschaftsordnung von Pinochet, die Unternehmer sind eine privilegierte Kaste geblieben, Kapital und Arbeit haben nicht annähernd gleich lange Spiesse. Damit wurde auch die Chance verschlafen, die Wirtschaft zu modernisieren.
Gebeutelte Umwelt: Mit gewaltigen Kosten für die Umwelt kratzt Chile weiter Kupfer aus dem Anden-Gebirge heraus, holzt seine Wälder ab und überfischt sein Meer. Als reiner Rohstoffproduzent überlässt Chile die Mehrwertschöpfung den anderen.