Die Präsidentschaftswahl hat die Parteien in Italien, allen voran die Lega unter Matteo Salvini, desavouiert. Sein Anspruch auf eine künftige Führungsposition ist gründlich missglückt. Heute will die Lega das Desaster aufarbeiten. Um aus der Defensive zu kommen, hat Salvini für die Zeitung «Giornale» einen programmatischen Artikel verfasst. Er ist ein Dokument der Hilflosigkeit.
Keine Ahnung von den USA
Salvini entwirft das Bild eines (wirtschafts-)liberalen Italiens im Stil eines Wikipedia-Eintrags: ein einfaches Steuersystem, Verteilung der politischen Macht von unten nach oben, ein Staat für die Bürger, weniger Bürokratie. Nichts Neues unter der italienischen Sonne.
Die Idee, dass sich die rechten Parteien nach dem Vorbild der Republikaner in den USA formieren sollten, belegt, dass Salvini die USA wenig kennt. Die Verhältnisse in den USA liegen komplett anders – und weder die klassische «Grand Old Party» vor Trump, noch die Republikaner nach Trump lassen sich mit der italienischen Realität vergleichen.
Semipräsidentielles System?
Was Salvini vorschwebt, ist klar: Gerade in Vorwahlzeiten – wie sie jetzt auch in Italien begonnen haben – sind die Präsidentschaftskandidaten in den USA die politisch prägenden Persönlichkeiten, weniger die Parteien.
Und im Zuge dieser schwierigen Präsidentschaftswahl wurde in den italienischen Medien immer wieder über eine Verfassungsänderung hin zu einer semipräsidentiellen Demokratie nachgedacht: über einen Präsidenten mit mehr exekutiver Macht. Nicht ganz so stark wie in Frankreich oder den USA, aber ein Schritt in diese Richtung. Die Zerstrittenheit der Parteien bei der Wahl des Staatspräsidenten suggeriert aber, dass eine entsprechende Verfassungsänderung jenseits der Realität liegt. Und Matteo Salvini hat sich gerade nicht als Politiker entpuppt, der parteiübergreifend ein Lager zusammenhalten kann.
«Povera Italia»
Die Wiederwahl von Sergio Matarella als Staatspräsident, der im Duo mit Premier Mario Draghi die Geschicke des Landes in einer wichtigen Phase lenkt, ist das bestmögliche Resultat in der aktuellen Situation. Und dank der 190 Milliarden Euro Corona-Hilfe aus Brüssel hat Italien eine einmalige Gelegenheit für Reformen.
Das politische Fundament ist aber wacklig: Dieselben Parteien, welche die Regierung bilden, waren unfähig, sich auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu einigen. Und so musste Sergio Matarella, gegen seinen Willen, noch einmal antreten. «Povera Italia» muss man sagen, wenn die Geschicke des Landes so sehr von nur zwei Persönlichkeiten abhängen.