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Menschen in Tunis glauben nicht an Veränderungen
Aus SRF News vom 14.09.2019.
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Präsidentschaftswahl Tunesien «Stimmenkauf zu beweisen, ist schwierig»

Zum zweiten Mal seit der Revolution im Jahr 2011 finden am Sonntag Präsidentschaftswahlen in Tunesien statt – doch viele Tunesierinnen und Tunesier sind wenig hoffnungsvoll. Sie sind überzeugt, dass die Politiker vorwiegend in die eigene Tasche wirtschaften. Welche Rolle Korruption im Land tatsächlich spielt und welche Sektoren besonders betroffen sind, weiss Expertin Yosra Mkadem.

Yosra Mkadem

Yosra Mkadem

Korruptions-Bekämpferin in Tunesien

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Yosra Mkadem ist Projektkoordinatorin der Anti-Korruptions-Vereinigung «I Watch», der tunesischen Unterorganisation von Transparency International.

SRF News: Yosra Mkadem, auf dem Markt haben wir viele enttäuschte Bürgerinnen und Bürger getroffen, die beklagen, die Politiker schauten nur für sich, seien korrupt und wirtschafteten in die eigene Tasche. Steht es so schlecht um die politische Elite Tunesiens?

Yosra Mkadem: Nein. Das ist sicher übertrieben. Pauschale Verdächtigungen und Vorwürfe bringen nichts. Natürlich gibt es Politiker, die sich nicht an die Regeln halten, die Schmiergelder entgegennehmen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Das darf nicht sein. Und dagegen kämpfen wir als Anti-Korruptionsorganisation.

Die Ermittlungen und allfällige Gerichtsverfahren gegen korrupte Machenschaften sind aufwändig und ziehen sich oft über Jahre hin. So entsteht der Eindruck, die korrupten Personen würde gar nicht bestraft.

Woher kommt der Eindruck, die gesamte politische Elite sei korrupt?

Dafür gibt es zwei Gründe. Seit der Revolution 2011 publizieren wir sowie die staatliche Anti-Korruptionsbehörde regelmässig Rechenschaftsberichte. Dadurch werden Zahlen und Fallbespiele publik. Heute darf offen darüber geredet werden. Unter Ben Ali gab es weder die Anti-Korruptionsbehörde noch uns von «I Watch». Der zweite Grund ist: Die Ermittlungen und allfällige Gerichtsverfahren gegen korrupte Machenschaften sind aufwändig und ziehen sich oft über Jahre hin. So entsteht der Eindruck, die korrupten Personen würde gar nicht bestraft. Das dient der Sache nicht.

Wie meinen Sie das?

Der Eindruck der Straffreiheit motiviert die korrupten Personen weiterzumachen. Schlimmer noch: Es motiviert andere, auch damit anzufangen – weil sie glauben, sie würden ohnehin nicht zur Rechenschaft gezogen.

Welche Sektoren sind am stärksten anfällig für Korruption?

Leider sind alle staatlichen Verwaltungsstellen und Wirtschaftssektoren betroffen. Besonders stark wohl der Energiesektor, denn da geht es um viel Geld. Aber auch die Zollbehörde. Da geht es um gekaufte oder umgangene Einfuhrrechte, um Schmuggel.

Es fliessen Schmiergelder. Die staatliche Anti-Korruptionsinstanz kämpft verstärkt dagegen an. Und nicht zu vergessen: Das öffentliche Beschaffungswesen. Da werden nicht selten teure Offerten berücksichtigt, weil im Gegenzug Retro-Kommissionen fliessen. Doch dies zu beweisen, ist schwierig und aufwändig.

Seit 2011 musste noch nie eine Partei Geld zurückgeben, obwohl es Missbrauch gegeben hat.

Sie werden auch bei den anstehenden Parlamentswahlen die Finanzen der Parteien und Kandidaten unter die Lupe nehmen. Worauf achten Sie?

Wir achten darauf, dass die Parteien ihre staatlichen Subventionen wirklich dafür verwenden, wofür sie gedacht sind – und nicht Geld abzweigen oder veruntreuen. Auch da haben wir grosse Probleme, Einblick in die Buchhaltungen zu bekommen. Der Rechnungshof und die Wahlbehörde im Übrigen auch, obwohl sie rechtlich mehr Möglichkeiten haben. Seit 2011 musste noch nie eine Partei Geld zurückgeben, obwohl es Missbrauch gegeben hat. Doch die Verfahren laufen noch. Und auch das nährt den Eindruck der Straffreiheit.

Kommt es auch zu Wahlgeschenken und Stimmenkauf?

Leider. Wir bekommen regelmässig Hinweise. Doch die Schwierigkeit ist, Stimmenkauf zu beweisen. Das Gesetz ist da auch nicht genug klar formuliert. Ausserdem ist es für unsere Beobachter schwierig, das Verteilen von Geschenken oder sogar von Geld an Wählerinnen und Wähler zu filmen. Beobachtungen reichen vor Gericht leider nicht aus. Es braucht ein Video als Beweis. Doch mehrere von unseren Freiwilligen wurden bereits bedroht, als sie in solchen Situationen zu filmen versuchten.

Das Gespräch führte Michael Gerber in Tunis.

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Wahlen in Tunesien
Aus Tagesschau vom 14.09.2019.
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