Der Wahlkampf in Frankreich – erst kam er kaum in Fahrt, und nun dominiert der Krieg in der Ukraine die Debatte. Die Auswirkungen des Kriegs bekommen die Französinnen und Franzosen auch in ihrem Portemonnaie zu spüren, etwa beim Tanken. Wie auch in anderen Ländern sorgen die Benzinpreise für rote Köpfe – in Frankreich ist das Thema jedoch besonders sensibel.
Wahlkampf ums Portemonnaie
Denn in Frankreich ist die Kaufkraft aufgrund der Inflation schon seit Herbst die Sorge Nummer 1 in der Bevölkerung. «Das ist speziell im Vergleich zu früheren Wahlkämpfen», sagt Politologin Isabelle Veyrat-Masson vom Institut «Centre national de la recherche scientifique» CNSR in Paris. «Normalerweise steht die Arbeitslosigkeit an erster Stelle.» Dass diese im Sorgenbarometer nach unten gerutscht sei, habe damit zu tun, dass unter der Regierung Macron die Arbeitslosenzahlen gesunken seien. Andererseits verstärke der Krieg das Problem der Kaufkraft nun zusätzlich.
Bereits im Herbst hatte Präsident Emmanuel Macron verschiedene Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft getroffen. Nun hat die Regierung einen Rabatt von 15 Cents pro Liter getankten Treibstoffs angekündigt; abgezogen wird der Betrag direkt beim Zahlen an der Tankstelle. Umgesetzt wird die Massnahme per 1. April, nur zehn Tage vor dem ersten Wahlgang. Begründet wird der Zeitplan mit der praktischen Umsetzung.
Dass die Kritikerinnen und Kritiker Macrons darin ein Wahlkampf-Manöver sehen, ist für Politologin Isabelle Veyrat-Masson nur teilweise berechtigt. «Viele andere europäische Länder ergreifen ebenfalls Massnahmen, um den Preisanstieg beim Treibstoff abzufedern. Da hätte es für Aufsehen gesorgt, wenn Macron nicht gehandelt hätte – mit negativem Effekt auf die Kampagne», so Veyrat-Masson. Man könne Macron wennschon das Timing vorhalten. «Die Geschwindigkeit, mit der die Massnahme ergriffen wurde, ist wohl kein Zufall in der Kampagne.»
Erinnerungen an «Gilets Jaunes»
Die Treibstoffpreise sind in Frankreich ein heisses Eisen. Der Plan, sie zu erhöhen, hatte im Herbst 2018 zu den Protesten der «Gilets Jaunes» geführt, der sogenannten Gelbwesten – eine Kraftprobe für die Regierung Macron.
Neu ist die Sorge um die Kaufkraft auch für Rechtspopulistin Marine Le Pen nicht. Für sie ist es das Thema, mit dem sie für breitere Schichten wählbar wurde. Den steigenden Sprit-Preisen will sie mit Steuersenkungen begegnen. Le Pen hatte es 2017 bereits in die Stichwahl gegen Emmanuel Macron geschafft, nun liegt sie in Umfragen erneut auf Platz zwei. Laut Politologin Veyrat-Masson kann Le Pen dank des Kaufkraft-Themas auf eine stabile Anhängerschaft zählen. «Die Gefahr für sie sind die Nicht-Wähler. Da sind Menschen in ihrer Anhängerschaft, die in Umfragen angeben, Le Pen zu wählen. Aber ob sie auch wirklich zur Wahl gehen, ist ungewiss.»
Das könnte dann wiederum Rechtsaussen-Kandidat Eric Zemmour helfen. Dieser liess sich letzte Woche mit besorgten Bürgerinnen und Bürgern an der Tanksäule filmen. Im Nachhinein stellte sich der Auftritt als Inszenierung heraus: Der Autofahrer, der gerade tankte, entpuppte sich als feuriger Anhänger Zemmours. In den Umfragen liegt Zemmour derzeit auf dem vierten Platz, hinter Linksaussen-Politiker Jean-Luc Mélenchon.
Der Wahlkampf an der Zapfsäule läuft. Angesichts des Kriegs dürfte es für die Herausforderinnen und Herausforderer von Präsident Macron allerdings schwierig werden, das Problem der Regierung in die Schuhe zu schieben.