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Premier Mischustin infiziert «In Russland gibt es nur einen, der unersetzbar ist»

Auch Russland kämpft mit der Corona-Pandemie. Prominentester Erkrankter ist Regierungschef Michail Mischustin. Zur besten Sendezeit haben er und Wladimir Putin sich mit der Nachricht ans Volk gewandt. Der Gesundheitszustand des Präsidenten dagegen werde behandelt wie ein Staatsgeheimnis, berichtet Russlandkorrespondent David Nauer.

SRF News: Wie wirkt es sich aus, wenn ausgerechnet Putins Corona-Krisenmanager sich angesteckt hat?

David Nauer: Mischustin hat sich nach dieser Videoschaltung in ein Spital begeben. Er fällt als Regierungschef bis auf Weiteres aus. Die Videoschaltung vom Donnerstag war sehr interessant. Sie wirkte auf mich wie eine orchestrierte Inszenierung, um die Bevölkerung zur Einhaltung der Ausgangssperre zu bewegen. Putin betonte explizit: ‹Was Ihnen passiert ist, kann jedem passieren›. Mischustin sagte zur Bevölkerung: ‹Ich weiss, dass bald die Maifeiertage sind, aber bleiben Sie bitte zu Hause›.

Es gibt in Moskau ein effizentes, elektronisches Überwachungssystem. Wer U-Bahn oder Auto fahren möchte, braucht einen elektronischen Passierschein.

Wie steht es um die Gesundheit von Wladimir Putin?

Das ist ein Staatsgeheimnis. Soweit man abschätzen kann, ist er bisher nicht infiziert. Putin regiert seit Wochen aus seiner Residenz ausserhalb Moskaus. Bei Fernsehauftritten sieht es jeweils so aus, als hätte er sich eingebunkert. Aus diesem «Bunker» wurde er auch am Donnerstagabend zugeschaltet.

Werden in Moskau die Schutzmassnahmen eingehalten?

Die Regeln in Moskau sind sehr strikt. Es gibt ein effizientes elektronisches Überwachungssystem. Wer U-Bahn oder Auto fahren möchte, braucht einen elektronischen Passierschein. Den muss man im Internet beantragen. Auch wenn man auf die Datscha oder zur Arbeit will, braucht man ein solches Dokument.

Provinzbeamte melden traditionell nur gute Nachrichten nach Moskau.

Deswegen sind viele Orte in der Stadt wie leer gefegt. Ich war vor ein paar Tagen auf dem normalerweise sehr belebten Roten Platz. Er war menschenleer. Das ist sehr eindrücklich. Ohne Passagierschein darf man nur in den Supermarkt oder mit dem Hund im Viertel spazieren gehen. Viele Menschen tragen inzwischen Masken, aber gerade in den Supermärkten werden die Abstandsregeln nicht eingehalten.

Wie sieht es in den Provinzen aus?

Das Hauptproblem in den Provinzen ist, dass die Neuinfektionen dort noch ansteigen. Und das sind nur die offiziellen Zahlen. Es gibt in Russland die unselige Tradition, dass Provinzbeamte nach Möglichkeit nur gute Nachrichten nach Moskau melden.

An den Maifeiertagen äuft ohnehin nicht viel in Russland, ganz unabhängig von den Corona-Massnahmen.

So ist mir zum Beispiel aufgefallen, dass aus den Provinzen oft eine grosse Zahl von akuten Lungenentzündungen gemeldet wird, aber kein Coronafall. Deswegen ist es schwierig, sich ein Bild zu machen.

Doch Präsident Putin hatte Mischustin beauftragt, Exit-Strategien aus dem Corona-Regime zu entwickeln. Kommt das nicht etwas früh?

Die Pandemie hat ihren Höhepunkt in Russland sicher noch nicht überschritten. Allein gestern wurden 7000 Neuinfektionen gemeldet, so viele wie nie zuvor. Im Moment sind allerdings sowieso Maifeiertage. Sie dauern noch bis am 10. und 11. Mai. Da läuft nicht viel in Russland, ganz unabhängig von den Corona-Massnahmen. Es kann aber sein, dass in gewissen Regionen nachher die Regeln gelockert werden.

Verzögert die Erkrankung des Regierungschefs die Exit-Pläne?

Das denke ich nicht. Die Epidemie selbst ist das grössere Problem als die Abwesenheit von Mischustin.

Wenn Putin ausfallen würde, wäre es ein grosses Problem für das Land.

Er ist nicht unersetzbar und er ist erst seit Januar im Amt. In Russland gibt es nur einen, der unersetzbar ist. Das ist Wladimir Putin. Wenn er ausfallen würde, wäre es ein grosses Problem für das Land.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

SRF 4 News, 01.05.2020; 06:15 Uhr ; 

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