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Propaganda im Ukraine-Krieg Putin überzeugt den Westen mit seinem Kriegsgrund nicht

Die Professorin für Slawistik der Uni Zürich, Sylvia Sasse, erklärt, wie die russische Propaganda gestrickt ist.

Die Ukraine werde eine schmutzige Bombe zünden, um Russland zu diskreditieren. So begründet der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu, angebliche ukrainische Pläne.

Aus dieser Botschaft lasse sich die Logik des Krieges ablesen, sagt Sylvia Sasse, Professorin für Slawistik an der Universität Zürich: «Dieser Redeakt von Schoigu ist typisch. Weil er etwas ankündigt oder einem anderen zuschiebt, um die Möglichkeit zu haben, selbst darauf reagieren zu können. Auf dieser Logik basiert der gesamte Krieg.» Russland muss nicht warten, bis es angegriffen wird, sondern kann seinen Angriffskrieg als Befreiungskrieg rechtfertigen.

Die Verkehrung

Bereits in der Sowjetunion arbeitete beispielsweise Stalin häufig mit dem Mittel der Verkehrung. Er diffamierte seine Kritiker als Faschisten und verurteilte sie in Schauprozessen. Präsident Putin spricht vom «kollektiven Westen», der Russland bedroht.

Er bezeichnet den Westen als Diktatur, in der keine freie Meinung zugelassen ist. Wer Putin kritisiert, stellt sich angeblich gegen Russland, führt eine Russlandphobie weiter, die es in der Vergangenheit, beispielsweise während des Zweiten Weltkriegs, tatsächlich gegeben hat.

Faktencheck als Desinformation

Die Propaganda Putins bedient sich auch moderner journalistischer Mittel. In der Talkshow «Anti Fake» im russischen Fernsehen werden Bilder des Massakers von Butscha als Fälschungen bezeichnet.

Sie untergraben die Glaubwürdigkeit der Bilder mit Fragen, beispielsweise weshalb auf den Bildern kein Blut zu sehen ist oder weshalb ein Fahrrad noch neu scheint. «Mit diesem forensischen Blick wird verdeckt, was wirklich auf den Bildern zu sehen ist. Unsere Gefühle, die wir eigentlich haben müssten, werden ausgeblendet», sagt Sasse.

Ein Mann schaut aus einem Loch in der Wand auf die Strasse. Das Loch wurde von einer Rakete verursacht.
Legende: Der Westen glaubt Putin nicht, dass Russland die Ukraine von Faschisten befreien muss. REUTERS/Stringer

Verbreitung auch im Westen

Die Desinformation und die Propaganda treffen auf verschiedenen Widerhall auch im Westen: ob bei rechtspopulistischen Parteien oder fundamentalistischen christlichen Kreisen in den USA. Letztere sind auch Inspiration für die sogenannte Verteidigung der westlichen Werte, für Homophobie oder der Dezimierung der Rechte von Frauen.

Auch linke Kreise sind bisweilen empfänglich für Putins Antiamerikanismus. «Die Kritik an den USA ist teilweise berechtigt, dennoch ist es ein grosser Fehler, sie mit Putins Propaganda auf dieselbe Stufe zu stellen», so Sasse.

Die Slawistin ist dennoch überzeugt, dass Putin mit seiner Desinformation und seiner Propaganda nicht durchdringt. «Die Geschichte, dass Russland die Ukraine vom Faschismus befreien muss, glaubt keiner, das verfängt im Westen nicht.»

Im Krieg werden Panzer oder Kampfflugzeuge als Waffen eingesetzt, aber auch die Sprache kann zur Waffe werden. «Es ist wichtig, dass wir auf unsere Sprache achten, denn wie wir etwas benennen, so ist es dann auch», meint Sasse. Sie zitiert den russischen Schriftsteller Wladimir Sorokin: «Putin ist erledigt, wenn man ihm nicht glaubt.»

Tagesgespräch, 24.10.2022; 13 Uhr

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