Zum Inhalt springen

Ukraine-Krieg Trotz aller Kritik: Russland-Sanktionen erfüllen ihren Zweck

Im März verabschiedete die EU ihr erstes Sanktionspaket gegen Russland. Bald soll das achte in Kraft treten. Dazu kommen Sanktionen aus den USA, Grossbritannien und den G7. Doch wirken sie auch?

Zur Aufgabe seines Krieges in der Ukraine zwangen sie Russlands Präsidenten Putin bislang jedenfalls nicht – das heisst aber nicht, dass sie wirkungslos sind, wie Christian von Soest erklärt. Der Forscher vom Leibnitz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg untersucht die Wirkung von Sanktionen.

Wirtschaftlich spüre Russland die Strafmassnahmen bereits stark, sagt er. Ihr Verhalten änderten besonders autoritäre Regime dadurch jedoch nicht sofort. Im Gegenteil, viele autoritäre Machthaber schotteten sich politisch ab. Eine Studie zeige aber, in rund einem Drittel der Fälle führten auferlegte Sanktionen zu einem Kurswechsel des Ziellandes.

«Sanktionen wirken nicht nur als wirtschaftliche Zwangsmassnahme, sie senden auch ein wichtiges Signal. Ich denke, das ist entscheidend für diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, um deutlich zu machen, dass er mit hohen Kosten verbunden ist. Gleichzeitig müssen wir realistisch bleiben, was dieses Instrument angeht. Das Verhalten von Präsident Putin und seiner Regierung zeigt eben, dass die Regierung im Moment nicht kostenempfindlich ist, also auf diese hohen wirtschaftlichen Kosten nicht reagiert», erklärt der Sanktionsforscher.

Hohe Preise, die russische Wirtschaft schrumpft, Unternehmen wandern ab. Die Sanktionen treffen Russland – und das vor allem in drei Bereichen. Da wären Finanzsanktionen: 300 Milliarden US-Dollar russische Auslandsreserven haben die EU-Mitgliedstaaten eingefroren. Zahlreiche Banken sind vom internationalen Bankentransfersystem Swift ausgeschlossen. Platzierung und Kauf von russischen Anleihen sind verboten.

«Für Finanzinstitute ist es schwer geworden, auf dem internationalen Finanzmarkt aktiv zu sein, das ist klar eine Implikation», sagt Christian von Soest.

Ladas werden ohne Airbags hergestellt

Zweitens Exportverbote – sie gelten vor allem für «Dual Use»-Güter, die für militärische und zivile Zwecke genutzt werden, und für Hochtechnologie. Wegen fehlender Ersatzteile könnten so schon bald ein Teil der russischen Flugzeuge am Boden bleiben. Zudem haben die Technologiesanktionen die russische Automobilindustrie schon jetzt schwer getroffen. Ladas oder andere Fahrzeuge werden mittlerweile ohne Airbags und andere importierte Bauteile hergestellt.

«Hervorzuheben sind Hightech-Sanktionen», erklärt der Sanktionsexperte. «Also die Sanktionen, die elektronische Bauteile oder Software berühren. Die russische Wirtschaft ist auf solche Importe angewiesen, da sie nicht einfach selbst hergestellt werden können. Auch alternative Anbieter finden sich nicht so leicht. Es ist absehbar, dass das starke, negative Auswirkungen auf die russische Wirtschaft hat und haben wird.»

Russland sucht neue Abnehmer für Öl und Gas

Derzeit macht Russland zwar Gewinne durch hohe Preise für Öl und Gas, aber die Lieferungen in die EU sind seit März stark gesunken. Die USA haben seit Mai alle russischen Energielieferungen gestoppt. Auch Grossbritannien importiert so gut wie keine Energie mehr aus Russland.

Ab Dezember gilt ausserdem ein Embargo für russisches Öl in der EU. Das wird Russland weh tun, wie der Rohstoff-Analyst der Commerzbank AG erklärt: «Wir sehen seit der Invasion im Februar, dass die europäischen Abnehmer viel weniger Öl aus Russland importieren. Das ist kein neuer Schmerz, aber dieser Schmerz wird quasi verstetigt. Wir haben jetzt eine Situation, in der sich das nicht schnell auflösen kann, weil es dieses Embargo gibt.»

Scrabble-Würfel bilden das Wort «Sanctions» vor den Flaggen von Russland und der Ukraine.
Legende: REUTERS/Dado Ruvic/Illustration

Zum Ausgleich liefert Russland seine Energie vermehrt nach Asien. Doch für Öllieferungen nach Indien beispielsweise sind Tankerkapazitäten knapp. Russland kann sein Öl nur mit grossen Rabatten verkaufen. Auch bei Gas kann Russland nicht so schnell umschwenken. Über die Gaspipeline «Die Kraft Sibiriens» sollen Gaslieferungen nach China nun stetig gesteigert werden. Zusätzlich plant Betreiber Gazprom den Bau einer zweiten Pipeline Richtung China.

Doch das dauere, erklärt der Rohstoff-Experte: «Es ist eher eine Frage von Jahren als von Monaten, bis Russlands Gaslieferungen nach China deutlich zunehmen könnten. Denn Gas wird im Wesentlichen über Pipelines transportiert und diese Pipelines sind momentan in der nötigen Kapazität nicht da.»  

Russland spürt die Sanktionen des Westens. Auch wenn der Kreml bislang entschlossen scheint, die Signale zu ignorieren.

10vor10, 20.10.2022, 21:50 Uhr

Meistgelesene Artikel