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Venezuela: Wenn Nachrichten von Avataren präsentiert werden
Aus Rendez-vous vom 04.04.2023. Bild: Reuters/Jorge Silva
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Propaganda in Venezuela Maduros computergenerierte «Journalisten»

Es klingt wie ein gruseliger Traum, doch es passiert im Hier und Jetzt: In Venezuela werden im Staatsfernsehen Propaganda-Nachrichten gezeigt – präsentiert nicht von Journalisten aus Fleisch und Blut, sondern von Avataren. Aufgedeckt hat das kürzlich die spanische Tageszeitung «El País».

«Wenn es der venezolanischen Wirtschaft wirklich so schlecht geht, wie die Medien behaupten, können sich die Venezolanerinnen und Venezolaner dann überhaupt Ferien leisten?», fragt «Noah», ein rothaariger weisser Mann und angeblicher Journalist in einem Youtube-Video.

Es folgt ein Telefonanruf: «Wow, für den Karneval sind wir ausgebucht – da haben wir nichts mehr frei», sagt ein Mann. Wer er ist und für welches Hotel er angeblich arbeitet, bleibt offen. Aber für «Noah» ist die Sache klar: «Es ist doch auffällig, dass die teuren Strandferien-Pakete im Wert von 500 Dollar schon ausverkauft sind, trotz Inflation», sagt er.

In einem anderen Video erklärt «Emma», eine Latina mit indigenen Gesichtszügen, der einstige Interimspräsident und Oppositionsführer, Juan Guaidó, habe der Bevölkerung während seiner Amtszeit nicht geholfen.

Screenshot von «Emma».
Legende: Screenshot von «Emma» (rechts): In einem inzwischen gelöschten Youtube-Video kritisierte sie den ehemaligen Oppositions-Führer Juan Guadió (links). SRF

Wenig später laufen die Videos des Youtube-Kanals mit dem Namen «House of News» auch im venezolanischen Staatsfernsehen. Was sie ausblenden: Oppositionspolitiker werden in Venezuela bedroht und verfolgt. Auch wenn sich die Wirtschaft inzwischen leicht erholt: Laut Angaben der UNO lebt rund die Hälfte der 28 Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner noch immer in Armut. Über fünf Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Insgesamt sieben Millionen haben ihr Land verlassen, seit Nicolás Maduro dort regiert.

Wer also sind «Emma» und «Noah» und weshalb verbreiten die beiden manipulierte Berichte? Die Antwort darauf wirkt verstörend: «Noah» und «Emma» sind Avatare, sogenannte Deepfakes – geschaffen von Synthesia, einer Firma mit Sitz in Grossbritannien.

Tatsächlich: Wer auf der Website von Synthesia durch den virtuellen Avatar-Katalog scrollt, findet dort «Emma» und «Noah». Die beiden für ein Video irgendwelche Texte einsprechen zu lassen, kostet 30 Dollar pro Monat.

Britische Avatarfirma verspricht bessere Kontrollen

Box aufklappen Box zuklappen

Weshalb lässt eine britische Firma ihre Avatare einspannen für Venezuelas Propaganda-Apparat? SRF hat nachgefragt bei Synthesia.

Die Firma erklärt in einem schriftlichen Statement, sie wolle künstliche Intelligenz auf ethische Art und Weise nutzbar machen. Die Propagandavideos habe die Firma sofort nach Bekanntwerden bei Youtube gemeldet. Inzwischen sei der entsprechende Account suspendiert und Synthesia habe noch weitere Massnahmen ergriffen, um die Verbreitung von Desinformation zu stoppen.

Doch das Beispiel Venezuela zeigt: Die Technologie ist anfällig für Missbrauch und aufhalten lassen werden sich die venezolanischen Propaganda-Avatare kaum: Auf Facebook und Tiktok sind die Videos noch immer abrufbar.

Aufgedeckt hat das eine Journalistin der spanischen Zeitung «El País». Sie wird seither angefeindet und bedroht. Nicolás Maduro machte sich höchstpersönlich über ihre Recherche lustig, mimte im venezolanischen Fernsehen einen Roboter und erklärte: «Das ist keine künstliche Intelligenz, sondern revolutionäre Intelligenz.»

Neue Entwicklung in Maduros digitalem Propaganda-Arsenal

«Emma» und «Noah» seien ein neues Phänomen, sagt Mariví Marín Vázquez gegenüber SRF. Die Venezolanerin ist eine der Gründerinnen von ProBox – einer Nichtregierungsorganisation, die gegen Desinformation im Netz kämpft. «Wir beobachten eine Weiterentwicklung der Informationskontrolle und der Propaganda der Regierung.»

Die Videos sind auch ein Versuch, das Gesicht des Regimes reinzuwaschen.
Autor: Mariví Marín Vázquez Expertin für Desinformation

Wegen der Zensur in den traditionellen Medien seien die sozialen Medien für viele Venezolaner und Venezolanerinnen zur Hauptinformationsquelle geworden. Wenn auch im Internet, dem vermeintlich letzten freien Raum der Zivilgesellschaft, nun Propagandavideos auftauchten, wirke das einschüchternd und destabilisierend.

«Die Videos sind auch ein Versuch, das Gesicht des Regimes reinzuwaschen», erklärt Mariví. Denn die englischsprachigen Videos mit spanischen Untertiteln sollen laut ProBox nicht nur die Venezolaner verunsichern, sondern auch der internationalen Gemeinschaft die Hemmungen davor nehmen, wieder Beziehungen mit Maduros Regierung aufzunehmen.

Rendez-Vous, 4.4.2023, 12:30 Uhr;

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