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Próspera Tech-Milliardäre in der Karibik: Privatstadt im Palmenparadies

Bryan Johnson stellte Próspera letztes Jahr erstmals ins Scheinwerferlicht. Der Multimillionär aus dem Silicon Valley liess sich dort für 25’000 US-Dollar eine Gentherapie verabreichen. Johnson hat sich als Versuchskaninchen der Langlebigkeitsforschung, der sogenannten «Longevity», verschrieben. Er lässt die Menschheit an seinem Streben nach Unsterblichkeit teilhaben – auf den sozialen Medien und in einem Netflix-Film. 

Die Gentherapie, welcher er sich in Próspera unterzogen hat, ist nirgendwo auf der Welt durch eine Gesundheitsbehörde zugelassen. In Próspera aber kann sie verabreicht werden. Hier gibt es keine Gesundheitsbehörde. 

Legende: Wie aus dem Ferienprospekt: Próspera . SRF

Kaum Regulierung und maximale Forschungsfreiheit

Wer in Próspera eine Firma gründet, muss lediglich einen Versicherer finden, der bereit ist, das Risiko des Unternehmens zu tragen. Den Rechtsrahmen kann jede Firma selbst aussuchen. Kaum Steuern, kaum Regulierungen, maximale Forschungsfreiheit. Hier regiert die Privatwirtschaft. Das hat die honduranische Regierung vor Jahren möglich gemacht. 

Im Bitcoin Center sitzen vier Personen vor ihren Laptops und arbeiten. Es ist «Co-Working Tuesday» – die Community trifft sich zum gemeinsamen Arbeiten. Ein Raum mit Klimaanlage, ein paar Holztische, eine Kaffeebar, zwei Bitcoin-Bankomaten. 

Die Kryptowährung Bitcoin ist hier anerkanntes und geschätztes Zahlungsmittel. Auch bei Jason Hartgrave. Der US-Amerikaner arbeitet in einem Fintech-Start-up und ist vor zwei Jahren auf die Karibikinsel übergesiedelt. Der Stellenwert von Bitcoin in der Privatstadt war mit ein Grund, warum der 46-Jährige nach Próspera gezogen ist. Hier kann er zum Beispiel seine Aufenthaltsbewilligung oder Versicherungen in Bitcoin bezahlen.

Selbst der Jahresabschluss jedes Unternehmens kann in Bitcoin vorgelegt werden. All das schränkt Umrechnungsrisiken ein. Und man untersteht keiner Zentralbank, die eine Währungspolitik verfolgt.

Persönliche Freiheit über allem

Jason Hartgrave ist begeistert von Próspera. Er sei hier unter Seinesgleichen und könne seine Weltanschauung mit anderen teilen. «Unsere Regierungsformen sind archaisch und müssen überdacht werden. Besonders im Internetzeitalter», ist er überzeugt. 

Steuern sind eine Form des Diebstahls.
Autor: Jason Hartgrave Bewohner von Prospera

Steuern hält er für eine Form des Diebstahls. Wie Kapital gebraucht werde, solle dem Individuum überlassen werden und nicht der Gemeinschaft.

Legende: Jason Hartgrave ist einer von drei Dutzend Unternehmer, welche in Próspera wohnen. srf

Aus seiner Sicht ist besonders wichtig, dass Unternehmergeist nicht durch Gesetze eingeschränkt wird – und dass die persönliche Freiheit das höchste Gut sei. Fintech-Mensch Jason Hartgrave ist einer der rund drei Dutzend Start-up-Unternehmer Prósperas, die fix hier leben

Liberty-Bus und Sicherheitsfirma Wohlstand

Die Sonderentwicklungszone Próspera umfasst derzeit zwei kleine Gebiete: Pristine Bay, wo sich das Bitcoin Center befindet, und die Beta Zone, in der der sogenannte Duna Tower steht – ein 14-stöckiger Wohnblock, der als Herzstück der Siedlung gilt. Ein Shuttle-Service, die «Liberty Line», verbindet die beiden Gebiete.

Der Duna Tower ragt aus dem umgebenden Urwald empor; vom Infinity Pool im achten Stock reicht der Blick weit über die karibische See – ein Panorama, das die Vision von Wohlstand und grenzenloser Freiheit, mit der Próspera wirbt, visuell eindrucksvoll untermauert.

Legende: Der Blick vom Inifinity Pool im achten Stock des Duna Tower auf die Karibische See. SRF

Die Insel Roatán, auf der Próspera liegt, ist seit Jahrzehnten eine wichtige Tourismusdestination. Luxushotels säumen die weissen Sandstrände am türkisfarbenen karibischen Meer, Kreuzfahrtschiffe legen hier an, und das zweitgrösste Riff der Welt ist ein Eldorado für Taucherinnen. Doch die Grenze zur Privatstadt ist streng. Vorbei an der Garde einer privaten Sicherheitsfirma namens «Wohlstand» führt eine kleine Strasse zum Wohnkomplex.

Der Zugang wird kontrolliert. Wer eingelassen werden möchte, muss einen Besuchsausweis beantragen – online. Gleichzeitig kann man direkt seine Firma registrieren; dafür braucht es nur ein paar Klicks. Der Duna Tower umfasst 82 Wohnungen, ein Café und einen Co-Working-Space.

Abends feiert die Hausgemeinschaft des Duna Tower im Kellergeschoss. Hier befindet sich das Labor, die 3D-Drucker stehen im Raum, es gibt eine kleine Küche. Ein Dutzend Menschen, vor allem Männer zwischen Mitte zwanzig und Ende vierzig, trinken Bier, spielen Poker, hören Musik. Sie alle haben ein Start-up. Einer von ihnen ist Rich Lee, 47, US-Amerikaner.

Lee sieht sich selbst als sogenannter «Biohacker»: Ohne Biologie- oder Medizinstudium forscht er an Gentherapien und probiert sie gleich an sich selbst aus – ebenso Chip-Implantate. Sieben Implantate trägt er aktuell. «Ich kann sie programmieren, zum Beispiel, um Türen zu öffnen. Du kannst dein Handy hierhin halten, dann siehst du meine Kontaktinformationen», sagt der Mann mit dem langen, grauen Ziegenbart. Er habe auch Kopfhörer implantiert. «Und hier, der Chip in meiner Hand – das ist meine Kreditkarte.»

Biohacker Lee trägt sieben programmierbare Chip-Implantate im Körper, unter anderem in seiner Hand.
Legende: Biohacker Lee trägt sieben programmierbare Chip-Implantate im Körper, unter anderem in seiner Hand. SRF

Er ernte viele schräge Blicke, wenn er an der Kasse kontaktlos mit seiner Hand bezahle, sagt er lachend. Rich Lee glaubt, dass der menschliche Körper aktiv verbessert werden müsse. «Human Enhancement» nennt sich das im Fachjargon.

«Unsere Sinne und Fähigkeiten müssen erweitert werden, egal ob durch Gentherapie oder Implantate.» Der Mensch solle sich die Technologie zunutze machen – und wenn er dabei zum Cyborg wird, halb Mensch, halb Maschine.

Transhumanismus – diese Ideologie ist im Silicon Valley verbreitet. Ideen dafür könnten in Próspera viel schneller auf den Markt kommen als in den USA, so Biohacker Lee: «Wenn du in den USA ein Biotech-Unternehmen gründen willst, musst du viele Gebühren bezahlen und Bedingungen erfüllen.»

In Próspera geht alles schneller – ohne Gesundheitsbehörde, Ethikkommission oder etabliertes Rechtssystem, das Fehltritte ahnden könnte.

Der Multimillionär Bryan Johnson ist nicht der Einzige aus dem Silicon Valley, der an Próspera Gefallen findet. Diverse Milliardäre und Libertäre investieren in den Aufbau der Privatstadt. 

All diesen Superreichen sind zwei Dinge gemein: Sie wollen Grenzen sprengen. Mit neuen Währungen, künstlicher Intelligenz oder der massiven Verlängerung des Lebens. Und sie wollen keine Instanz, die ihnen dabei Vorschriften macht. Wenig Staat, wenig Regulierung. Für diese Vision setzen sie ihr Geld ein. 

Wenig Staat, wenig Regulierung, dasselbe Prinzip gilt für die Pioniere der Entgrenzung auf der Karibikinsel Próspera. Beim nächsten Spielabend im Keller des Duna Towers verfolgen die Bewohner die «Network States»-Konferenz. Hinter den “Network States” steckt die Idee, dass sich Gemeinschaften online nach geteilten Werten formieren und anschliessend eigenes Territorium in der realen Welt beanspruchen. 

Legende: Niklas Anzinger präsentiert sein Unternehmen aus Próspera an der «Network States»-Konferenz. Kara Isabella

So sollen neue, libertäre Inseln entstehen. Der Gründer der Bewegung, Balaji Srinivasan – ebenfalls ein Silicon-Valley-Millionär – hat ebenfalls in Próspera investiert.

Neue Staaten bilden sich online

Die «Network States»-Konferenz findet dieses Jahr in Singapur statt. Ein Bewohner von Próspera darf dort sein Unternehmen präsentieren – die Community vor den Bildschirmen klatscht, feuert den Deutschen Niklas Anzinger an. Anzinger zeigt, wie sich das Próspera-Modell aus Honduras in andere Regionen übertragen lässt: Der Unternehmer hat an einem Gesetzesentwurf für den US-Bundestaat Montana mitgeschrieben.

Dort wurde dieses Jahr die sogenannte «Right To Try»-Gesetzgebung erweitert. «Right To Try» erlaubt es Patientinnen und Patienten, Behandlungen durchzuführen, auch wenn die US-Gesundheitsbehörde sie noch nicht abgesegnet hat. Montana hat dieses Recht Anfang Jahr von unheilbar Kranken auf die gesamte Bevölkerung ausgeweitet.

Was in Próspera schon etabliert war, ist nun also auch in Montana möglich. Bryan Johnson könnte das nächste Mal für seine Gentherapie nun nach Montana fliegen. So breitet sich der Geist von Próspera in anderen Ländern aus.

Legende: Die sogenannte «Beta-Zone» von Próspera. SRF

Das beobachtet auch der deutsche Soziologe Andreas Kemper. Er hat ein Buch über Privatstädte geschrieben. «Próspera ist das Vorzeigemodell in der Privatstadtbewegung.» Über mehrere Jahre sei viel Geld in dieses Projekt gesteckt worden. Dabei gehe es in Próspera momentan aber noch gar nicht darum, das grosse Geld zu verdienen.

Hier steht die Ideologie im Vordergrund, wobei die Ideologie auf eine Gewinnmaximierung abzielt.
Autor: Andreas Kemper Soziologe

Es gehe zunächst darum, eine Idee durchzusetzen. Es gelte zu testen, wie staatliche Funktionen in die Hand von Versicherern, Schiedsgerichten und privaten Sicherheitsfirmen gelegt werden könnten. Es gibt verschiedene Ansätze, Privatstädte zu errichten – Projekte in Brunei, auf dem Balkan, in Afrika. Das Ziel sei aber überall dasselbe, so Soziologe Andreas Kemper: «Das Endprodukt ist die Abschaffung der Demokratie.»

Auch Trump will Privatstädte

Noch ist die Privatstadtbewegung relativ klein. Dennoch müsse die Vereinigung ernst genommen werden. Einerseits, weil so viel Geld darin stecke, andererseits, weil es weltweit so viele verschiedene Privatstadtinitiativen gebe. «Und wenn das verbunden wird mit neuen Machthabern, die sehr autoritär auftreten, wie zum Beispiel Donald Trump, dann wird das zu einer grossen Gefahr.» 

Donald Trump hat in seinem letzten Wahlkampf ebenfalls Städte mit weniger Regulierung versprochen – «Freedom Cities» nennt er sie. Und wenig überraschend wird diese Idee von Silicon-Valley-Milliardären wie Peter Thiel unterstützt. 

Bis jetzt sind in Próspera über 350 Unternehmen und rund 1’800 Bewohnerinnen und Bewohner registriert. Vor Ort passiert allerdings wenig. Firmen wie Einwohner können auch lediglich sogenannte «E-Residents» sein, das heisst, sie sind nur digital hier registriert.   

In der realen Welt ist das Herz von Próspera de facto ein grosses Wohnhaus, ein paar Dutzend fixe Bewohner, einige Laptops und ein paar medizinische Experimente. 

Legende: Das Herz von Próspera, der Duna Tower, wirkt nicht wie das Zentrum einer lebendigen, futuristischen Stadt der Zukunft. SRF

Doch für den Staat Honduras und seine Bevölkerung hat Próspera bereits sehr klare Auswirkungen. Ein Raum ist geschaffen, der die staatliche Autorität aushebelt. Das löst viel Argwohn in einem Land aus, in dem mehr als 60 Prozent der Bevölkerung in Armut leben. Mit einer Machete öffnet Venessa Cárdenas eine Kokosnuss und serviert das frische Kokoswasser – eine Wohltat im feucht-heissen Klima.

Misstrauen im Nachbarsdorf

Venessa Cárdenas ist Vizepräsidentin des Patronato, einer Art Gemeinderat, von Crawfish Rock, einem Fischerdorf direkt neben Próspera. Rund 600 Menschen wohnen hier. Von Crawfish Rock sind es keine fünf Minuten zu Fuss bis zum Duna Tower.  

Das Projekt will sich als Staat im Staat behaupten, das ist gefährlich
Autor: Venessa Cárdenas Vizepräsidentin Patronato Crawfish Rock

Und doch war Venessa Cárdenas noch nie bei den Nachbarn. «Das Projekt will sich als Staat im Staat behaupten – das ist gefährlich.»

Legende: Venessa Cárdenas ist Vizepräsidentin des hiesigen Gemeinderats. SRF

Es gebe dort keine Kontrolle durch die honduranische Regierung, ja gar keine Kontrolle durch niemanden. Ausserdem sei das Projekt verfassungswidrig. Die Geschichte von Próspera geht Jahre zurück. Nach dem Militärputsch 2009 wurde ein Gesetz für spezielle Entwicklungszonen geschaffen. Die Intransparenz rund um das Projekt wurde von Anfang an kritisiert. Schon damals erklärte der Oberste Gerichtshof von Honduras das Gesetz für ungültig – es sei verfassungswidrig.

Doch der damalige Präsident setzte mit Hilfe des Parlamentspräsidenten Juan Orlando Hernández die Richter ab und brachte so das Gesetz durch. Wenig später wurde Juan Orlando Hernández Präsident von Honduras und trieb die Entwicklungszonen, die «Zonas de Empleo y Desarrollo Económico (ZEDE)», wie er Entwicklungszonen wie Próspera nannte, weiter voran.

Schadenersatzklage in Milliardenhöhe

Heute sitzt Ex-Präsident Juan Orlando Hernández in einem Gefängnis in den USA. Er wurde im letzten Jahr des illegalen Drogen- und Waffenhandels schuldig gesprochen und zu einer 45-jährigen Haftstrafe verurteilt. Das aktuelle honduranische Parlament beschloss 2022, das Gesetz rund um die ZEDEs abzuschaffen. Es verletze die nationale Souveränität des Landes mit rund 9,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. 

Das entschied später auch das Oberste Gericht. Die Betreiberfirma der Privatstadt, die in den USA ansässige Próspera Honduras Inc., hat den Staat Honduras deswegen auf Schadenersatz in Milliardenhöhe vor dem Investitionsschiedsgericht der Weltbank verklagt. 

Doch Próspera funktioniert weiter wie gehabt, bemängelt Venessa Cárdenas in Crawfish Rock: «Niemand weiss, was die da oben treiben. Was machen sie mit dem Abfall all ihrer Experimente? Vergraben sie ihn? Unsere Wasserquelle ist da oben.» Hinzu kommt die Angst, das eigene Grundstück zu verlieren, sollte das Projekt wachsen und mehr Land benötigen.

Kampf für die Demokratie

Auch Fernando García ist Próspera ein Dorn im Auge. Der 77-jährige García war einst Wirtschaftsminister von Honduras; seit bald vier Jahren ist er in der aktuellen linken Regierung zuständig für den Kampf gegen die ZEDEs. 

In seinem Büro in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa liegen Tausende Unterlagen. Das Büro ist vollgestopft mit Dokumenten und Belegen zu den ZEDEs. 

Im Gespräch hält der kleine Mann mit Brille immer wieder die honduranische Verfassung in den Händen. Warum wächst Próspera weiter, obwohl Parlament und Gericht das Gesetz rund um die ZEDEs für verfassungswidrig erklärt haben? «Lobbyarbeit in den USA», meint Fernando García.

Die Schadenersatzklage vor dem Weltbankgericht hänge wie ein Damoklesschwert über der honduranischen Regierung; ihm seien die Hände gebunden. Zudem sitzt das Misstrauen gegenüber der Grossmacht im Norden tief in Honduras. Mit Interventionen aus den USA hat das Land – ja, ganz Lateinamerika – in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht.

Die Angst vor den USA

Entsprechend gross ist die Angst. «Wenn Honduras sagt: wir zahlen nicht, könnte im nächsten Moment die US-Marine mit all ihren Spezialeinheiten vor den Pforten von Honduras stehen», befürchtet Fernando García.

Der Kampf von Fernando García gegen die ZEDEs dauert seit Jahren. Bald könnte er ein Ende nehmen. Am Wochenende sind Präsidentschaftswahlen in Honduras, und die aktuell regierende linke Partei könnte das Nachsehen haben. Für diesen Fall hat die in den USA ansässige Betreiberfirma der Privatstadt, Próspera Honduras Inc., schon fleissig bei Politikern der potenziell nächsten Regierung für Próspera lobbyiert.

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Legende: Keystone

Anna Lemmenmeier (Autorin), Dominique Marcel Iten (Redaktion), Marina Kunz (Design), Balz Rittmeyer (Interaction-Design)

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Echo der Zeit, 17.11.2025, 18:00 Uhr ; 

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