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Proteste gegen Corona-Regeln Italien: «Rechtsextreme gesellen sich zu den Demonstranten»

In Italien kommt es seit dem Wochenende in zahlreichen Städte zu Protesten gegen die verschärften Corona-Massnahmen – vor allem Bar- und Restaurantbesitzer gehen auf die Strasse. Rechtsextreme Kreise versuchen nun, die Proteste zu unterwandern. Der Staat schreite deshalb rigoros ein, sagt SRF-Korrespondent Franco Battel.

Franco Battel

Italienkorrespondent

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Franco Battel ist seit 2024 wieder Italienkorrespondent bei Radio SRF. Zuvor war er Auslandredaktor. Bereits von 2015 bis 2021 berichtete Battel als Korrespondent für Italien und den Vatikan aus Rom. Zuvor war er als Auslandredaktor für Mexiko, Zentralamerika, Kuba und Liechtenstein verantwortlich.

SRF News: Sie haben in Rom per Zufall einen Corona-Protest miterlebt. Was ist dort passiert?

Franco Battel: Es war viel Polizei vor Ort mit Wasserwerfern, aber auch ein Polizeihelikopter in der Luft. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas gegen jene Demonstrierenden ein, die randalierten.

Die Behörden setzen alles daran, dass die Lage nicht ausser Kontrolle gerät.

Das waren zwar nicht sehr viele, doch sie setzten Container in Brand. Die Randale wurde denn auch im Keim erstickt. Die italienischen Behörden setzen offenbar alles daran, dass die Lage nicht ausser Kontrolle gerät.

Protestierende mit Italien-Fahnen im Schein von roten Signalfackeln.
Legende: Die Proteste wurden von Hooligans und Rechtsextremisten, in Neapel auch von der organisierten Kriminalität quasi gekapert. Reuters

Welche Leute gehen gegen die verordneten Corona-Massnahmen auf die Strasse?

Zunächst sind es jene, die am stärksten betroffen sind: Besitzer von Bars, Restaurants, Kinos oder Fitnessclubs. Das waren mehrere Hundert, oder auch mal mehrere Tausend. Für italienische Verhältnisse sind das eher wenige Demonstrierende. Doch zu diesen gesellten sich schnell rechtsextreme Fussball-Hooligans und militante Krawallmacher.

Bars und Restaurants ab 18.00 Uhr zu

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Legende: Reuters

In ganz Italien müssen seit Montag alle Restaurants und Bars um 18.00 Uhr für Gäste schliessen, um Ansteckungen zu vermeiden. Kinos, Theater, Fitnessstudios, Bäder, Skiresorts und Konzerthallen sind geschlossen. Italien war von der ersten Pandemiewelle im Februar früh und hart getroffen worden. Nach einem scharfen Lockdown im Frühjahr schien die Lage wieder im Griff zu sein. Doch in letzter Zeit stiegen die Infektionszahlen rasant. So lag die Tages-Neuansteckungszahl zuletzt bei rund 25'000. Zudem starben an einem einzigen Tag über 200 Menschen an oder mit Corona. (sda)

Was fordern die Protestierenden?

Sie finden die Massnahmen ungerecht: Während Bars und Kinos geschlossen seien, blieben Schulen geöffnet, monieren sie. Oder sie fragen, wieso die Restaurants zwar Mittagessen servieren dürfen, aber keine Abendessen. In Neapel waren zusätzlich viele auf der Strasse, die offen zugaben, schwarz zu arbeiten, entsprechend keine Aussicht auf eine Kurzarbeitsentschädigung haben und um Hilfe baten.

Laut italienischen Experten werden die Unruhen von Rechtsextremen und vom organisierten Verbrechen angestachelt. Welches Ziel verfolgen diese?

Gemäss den Rechtsextremismus-Experten benutzen rechtsextremistische Kreise die Verunsicherung in der Bevölkerung, um ihre braune Suppe zu kochen. Das organisierte Verbrechen wiederum versuche, den Staat zu diskreditieren, um sich dann in den verwahrlosten Quartieren der Grossstädte als Alternative zu präsentieren.

Die demonstrierenden Bar- und Restaurantbesitzer sollen sich von den Krawallmachern distanzieren.

Die italienische Regierung ruft denn auch die demonstrierenden Bar- und Restaurantbesitzer dazu auf, sich von den Krawallmachern öffentlich zu distanzieren.

Die fünf Milliarden Euro reichen möglicherweise nicht.

Welche Rolle spielt das neue Corona-Hilfspaket in der Höhe von fünf Milliarden Euro, das die italienische Regierung am Dienstag verabschiedet hat. Wird es die Protestierenden besänftigen?

Es kommt darauf an, wie schnell und unbürokratisch das Geld bei den Betroffenen ankommt. Im Frühling dauerte es mitunter quälend lange, bis die Leute die versprochenen Gelder tatsächlich erhielten. Auch besteht die grosse Gefahr, dass die fünf Milliarden Euro nicht ausreichen werden – schliesslich lebt Italien zu einem wichtigen Teil vom Tourismus und von der Gastronomie. Allein in diesen Bereichen fallen rasch Verluste in zweistelliger Milliardenhöhe an.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News aktuell vom 29.10.2020, 08.10 Uhr ; 

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