- Bei schweren Krawallen sind in Athen am Dienstagabend fünf Polizisten verletzt und 16 Randalierer festgenommen worden.
- Ausgangspunkt war ein Fall von Polizeigewalt vor drei Tagen, der für Empörung im ganzen Land sorgte.
- Schon länger wird das übergriffige Verhalten griechischer Polizisten kritisiert – und auch die Rolle der konservativen Regierung.
Nach einem neuerlichen Fall von Polizeigewalt kam es am Dienstagabend zu schweren Ausschreitungen in Athen. Die Vorgeschichte: Am Sonntag hatten Polizisten im Vorort Nea Smyrni einen Mann bei einer Kontrolle der Corona-Massnahmen mit Schlagstöcken, Tritten und Faustschlägen traktiert.
Die Aufnahmen von Passanten widersprachen der Darstellung der Polizei, wonach ihre Beamten zuvor von Dutzenden Personen angegriffen worden seien. Es folgte eine Welle der Empörung in sozialen Medien. Im Athener Vorort versammelten sich zunächst Anwohner zu spontanen Kundgebungen, bevor die Situation am Dienstagabend eskalierte.
Ein Mob von Hooligans, darunter Fussballrowdys sowie gewaltbereite Vermummte aus der Athener Autonomen-Szene, nutzte die Kundgebung, um den Vorort ins Chaos zu stürzen. Sie griffen die Beamten mit Eisenstangen an, wie Fernsehbilder zeigten.
Eskalation mit Ankündigung
Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Es kam zu Strassenschlachten mit den Randalierern. Die Lage beruhigte sich erst am Mittwochmorgen.
Die Staatsanwaltschaft und die Regierung ordneten Untersuchungen an. Viele Menschen vertrauten solchen Untersuchungen innerhalb der Strafverfolgungsbehörden aber nicht mehr, berichtet die Journalistin Rodothea Seralidou aus Athen. «Denn diese Untersuchungen verlaufen oft ergebnislos.»
Viele Griechen haben das Gefühl, dass die Polizisten mit ihnen fast alles anstellen dürfen – ohne Konsequenzen.
Denn aus heiterem Himmel kam der Protest nicht. «Unter der aktuellen konservativen Regierung sehen wir weitaus mehr Polizeigewalt – auch gegenüber friedlichen Bürgerinnen und Bürgern.»
Die Nerven liegen blank
Geradezu mantraartig spricht die Regierung Kyriakos Mitsotakis davon, dass für «Recht und Ordnung» im Land gesorgt werden müsse. «Und das scheint auch für mehr polizeiliche Willkür zu sorgen», glaubt Seralidou. Wiederholt wurden friedliche Proteste im Land aufgelöst und Demonstranten festgenommen.
Erst vor wenigen Tagen gingen Polizisten in Thessaloniki gewaltsam gegen Studierende vor. «Viele Griechen haben das Gefühl, dass die Polizisten mit ihnen fast alles anstellen dürfen – ohne Konsequenzen», so die Journalistin. «So werden auch immer Geldstrafen verhängt, obwohl die Bürgerinnen und Bürger den Regeln folgen.»
Dazu kommt: Seit November steckt Griechenland in einem strengen Shutdown, der zuletzt erneut verschärft wurde. Dies erhöhe den psychischen Druck in der Bevölkerung zusätzlich. «Die Nerven der Menschen liegen blank. Da reicht ein Ereignis wie in dem Athener Vorort, damit sie reagieren.»
Umstrittene Hochschulpolizei
Weitere Demonstrationen gegen Polizeigewalt sind bereits angekündigt. Studierende wollen dabei auch gegen die Hochschulpolizei protestieren, die die die Regierung kürzlich eingeführt hat. Hunderte Polizisten sollen fortan ausschliesslich an Universitäten patrouillieren.
Seralidou rechnet damit, dass die Proteste erneut eskalieren könnten – zumal sich weiterhin Randalierer unter die friedlichen Demonstranten mischen dürften. «Die Stimmung ist auf jeden Fall angespannt.»