SRF News: Was bedeuten die Proteste im Iran für die Region?
Pascal Weber: Der Iran ist grundsätzlich der grosse Sieger der Kriege in Syrien und im Irak. Doch diese Kriege waren und sind immer noch teuer. Die iranische Mittelschicht ist offenbar immer weniger bereit, hinzunehmen, dass ihr Leben immer teurer wird, während viel Geld in diese Auslandeinsätze fliessen. Die Proteste zielen also direkt in den Kern der iranischen Nahostpolitik.
Die Proteste zielen direkt in den Kern der iranischen Nahostpolitik.
Wird Rohani durch diese Proteste geschwächt?
Was unter Druck steht, ist das System als solches. Ein System, das aus enorm vielen Interessenvertretern besteht, die sich allesamt bekämpfen. Die Hardliner beispielsweise versuchen, das Ausland und Präsident Rohani für die Proteste verantwortlich zu machen.
Rohani wiederum versucht durch seine Kritik an den Hardlinern mehr Spielraum für die Reformvorhaben zu gewinnen. Diese Vorhaben sind für ihn überlebenswichtig. Wer am Ende aus diesem Kräftemessen als Sieger hervorgeht, ist momentan nicht abschätzbar.
Wer am Ende aus diesem Kräftemessen als Sieger hervorgeht, ist momentan nicht abschätzbar.
Kann man sagen, wer von diesen Protesten am meisten profitiert?
Wenn es am Ende zu Veränderungen kommt, dann profitiert das iranische Volk. Was genau in dieser Black Box geschieht, können wir momentan schwer beurteilen. Man weiss nicht genau, was in Teheran los ist. Die Informationen, die wir bekommen, kommen vom Staatsfernsehen oder von Social Media, die beide ihre jeweiligen Interessen verfolgen.
Wie fest sitzt Rohani politisch im Sattel?
Die Proteste bedrohen die Reformkräfte und auch Rohani. Sie bedrohen aber auch die Hardliner selbst, welche ebenfalls auf der Strasse angegriffen werden. Alle Teile des iranischen Systems sind momentan so stark unter Druck, wie sie es seit 2009 nicht mehr waren. Dieser Druck scheint mir für das System gefährlicher zu sein als das, was sich vor bald 10 Jahren abgespielt hat.
Der oberste iranische Führer Chamenei macht die Feinde des Irans für die Proteste verantwortlich. Welche Auswirkungen hat das für die Auslandsbeziehungen?
Keine, das sind reine Ablenkungsmanöver gegen innen. Die sind dazu gedacht, dass man den Unmut aufs Ausland richten kann, sei das auf Israel, auf Europa oder die USA und Donald Trump.
Das Gespräch führte Andrea Tedeschi.