Alle Jahre wieder lädt der russische Präsident Wladimir Putin zu einer Medienkonferenz in Moskau. Wie immer wird sie live im Fernsehen übertragen. Journalisten aus aller Welt und allen Teilen des Landes finden sich ein, stellen Fragen zu brisanten und weniger brisanten Themen.
Der Kreml-Chef antwortet ausführlich und geduldig, durchaus auch auf kritischere Fragen, wie SRF-Korrespondent David Nauer berichtet. Aus der Reserve locken lässt er sich aber nicht: «Putin erzählt, was ihm passt. Kritische Nachfragen sind nicht möglich, die Journalistinnen und Journalisten können ihn nicht ‹stellen›.»
Man hat gemerkt: Die Aussenpolitik ist das, was Putin wirklich interessiert. Bei solchen Themen wird er richtig feurig.
Der russische Präsident hält die Zügel also jederzeit in der Hand. Interessant sei der Anlass aber allemal, sagt Nauer. «Denn er gibt Einblick in Putins Stimmungslage und seine Sicht auf die Welt.» Die Fragerunde sei denn auch mehr als ein alljährliches Ritual. Eine Medienkonferenz im westlichen Sinn sei sie aber nicht: «Es ist eher so, dass der Zar Hof hält.»
Vom Ukraine-Konflikt über mutmassliche Einmischungen in den US-Präsidentschaftswahlkampf bis zum Krieg in Syrien – der Kreml macht seit Jahren Schlagzeilen, die die Welt bewegen. Und auch diesmal fehlte der Gesprächsstoff nicht. Auf besonderes Medieninteresse stiessen Themen, die aktueller nicht sein könnten, und Putin äusserte sich durchaus pointiert:
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Bild 1 von 5Legende: Putin zum Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump, das just in dieser Nacht eingeläutet wurde: «Das Ganze ist sehr weit hergeholt und wird vom Senat korrigiert werden.» Die Demokraten hätten die Wahlen 2016 verloren und würden nun alles versuchen, um wieder den Präsidenten stellen zu können, so der Kreml-Chef. Reuters
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Bild 2 von 5Legende: Nach dem Wahlsieg des alten und neuen britischen Premiers Boris Johnson plädierte Putin für ein besseres Verhältnis zwischen den beiden Ländern: «Johnson hatte ein besseres Gespür für die Stimmung im Volk als sein Rivale.» Die Beziehungen zwischen Moskau und London sind auch wegen der Ermordung eines ehemaligen russischen Doppelagenten belastet. Reuters
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Bild 3 von 5Legende: Putin äusserte sich zum möglicherweise von Russland aus gesteuerten Attentat an einem Georgier in Berlin. Er hatte den Mann, der im Kaukasus für Separatisten gekämpft hatte, zuletzt als «Banditen» bezeichnet. Putin räumte ein, dass es kein offizielles Auslieferungsgesuch an Deutschland gegeben hatte – die Behauptung hatte für Verstimmung gesorgt. Reuters
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Bild 4 von 5Legende: Zu Reden gab auch das russische Staatsdoping. Putin wies die harten Wada-Sanktionen gegen Russland an der Medienkonferenz als «ungerecht» zurück. Das Land werde für ein und denselben Verstoss mehrfach bestraft, kritisierte er. Die vierjährige Sperre für Olympische Spiele und Weltmeisterschaften werde Russland nicht akzeptieren. Reuters
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Bild 5 von 5Legende: Putin zeigt sich offen für eine Verfassungsreform, die die Zahl der Amtszeiten eines Präsidenten stärker begrenzen könnte: «Ich als Ihr ergebener Diener habe zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten absolviert, dann den Posten verlassen und hatte danach das verfassungsmässige Recht, in das Amt zurückzukehren.» Die Klausel könne aber gestrichen werden. Reuters
Insgesamt habe Putin einen entspannten, selbstsicheren und gut gelaunten Eindruck gemacht, bilanziert Korrespondent Nauer. «Schliesslich ist das Jahr auch gut gelaufen für ihn.» Russland habe militärische Erfolge in Syrien gefeiert, es gab eine Annäherung an China, selbst in Europa seien die Stimmen lauter geworden, die einforderten, wieder näher an Russland heranzurücken.
Putin interessiert sich mehr für Geopolitik als für Familienbudgets.
«Man hat gemerkt: Die Aussenpolitik ist das, was Putin wirklich interessiert. Bei solchen Themen wird er richtig feurig», so Nauer. Neben weltpolitischen Verwicklungen gab die innenpolitische Lage zu reden. Dort spulte Putin seine Agenda mit der Routine von bald zwanzig Jahren an der Macht ab, berichtet Nauer.
Geopolitik statt Haushaltsbudget
Von Profanem wie verbilligten Flugtickets für die sibirischen Mitbürger über Ärztelöhne bis hin zur niedrigen Geburtenrate – der Kreml-Chef äusserte sich zu einem bunten Potpourri an Dossiers, die hierzulande kaum Beachtung finden.
Dabei ist es gerade die Wirtschaftslage im Land, insbesondere im fernen Osten und in Sibirien, die Putins Ambitionen drosselt: «Seit fünf Jahren fallen die Gehälter der Russinnen und Russen. Und der Präsident hat nicht wirklich neue Ideen», sagt Nauer. So richtig schienen ihn derlei Probleme aber nicht umzutreiben. «Putin interessiert sich mehr für Geopolitik als für Familienbudgets.»