Seit Sonntag läuft in Ruanda die Rad-WM – zum ersten Mal überhaupt auf afrikanischem Boden. Für viele junge Fahrerinnen und Fahrer in Ostafrika ist sie ein Hoffnungssignal. Auch im ugandischen Dörfchen Masaka, wo eine kleine Truppe ehrgeiziger Talente trainiert: der Masaka Cycling Club.
Im stickigen Trainingsraum surren die Rollen, Tablets zeigen virtuelle Strecken in Europa oder Australien. Mittendrin kämpft der junge Kasule Baker, drahtig und zäh. Sein erstes Rad war eine Black Mamba – ein schweres Ein-Gang-Velo, das er sich über Jahre zusammengespart hat, Teil für Teil.
Heute gehört er zum Elite-Team und misst sich online mit Profis aus den USA oder Australien. «Ich muss zeigen, dass ich dazugehöre. Dafür kämpfe ich», sagt Baker.
Mein Traum ist, endlich auf der grossen Bühne gegen die Welt anzutreten – dort, wo es fair zugeht und nur die Beine entscheiden.
Doch draussen auf den Strassen ist der Weg steinig: Rennen finden ohne gesperrte Routen statt, Lastwagen drängen, Motorräder hupen, Stürze sind Alltag. Zeitmessungen fehlen oft, Kampfrichter ebenso. Manche lassen sich von Motorrädern ziehen – schwer zu kontrollieren, schwer zu bestrafen. Preisgelder werden versprochen und am Ende wieder gestrichen.
Und selbst wenn internationale Verbände Startplätze oder Visa bereitstellen – sie verschwinden oft in Kanälen der Funktionäre und landen bei Bekannten, die mit dem Sport nichts zu tun haben. «Unsere Chancen bleiben auf der Strecke», sagt Baker.
Wattzahlen statt Willkür
Der Masaka Cycling Club geht einen eigenen Weg: Im Clubhaus stehen acht Indoor-Bikes, betreut von Coach Mobilu Pita. Über die Plattform Zwift werden sie für die Jugendlichen zu einem Fenster zur Welt: Hier treten sie gegen Altersgenossen aus Europa, Australien oder den USA an. Niemand kann sich anschieben lassen, niemand Tricks anwenden – es zählen nur nackte Wattzahlen und Herzfrequenz.
Zum ersten Mal haben die Fahrerinnen und Fahrer die Gewissheit, dass ihre Leistung messbar ist, dass Siege wirklich ihnen gehören. «Drinnen gibt es keinen Beschiss. Wer stark tritt, gewinnt – egal, woher er kommt», sagt Coach Pita. Für viele ist das der Beweis, dass sie sich auf Augenhöhe bewegen können. Und es gibt Hoffnung, dass internationale Scouts sie überhaupt wahrnehmen.
Masaka Cycling Club
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Bild 1 von 8. Virtuelles Rennen: Die Fahrerinnen und Fahrer messen sich online in Echtzeit mit Profis aus aller Welt. Bildquelle: SRF / Sarah Fluck.
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Bild 2 von 8. Über die Plattform Zwift treten sie virtuell gegen Gleichaltrige aus Europa, Amerika oder Australien an – das Smartphone oder Tablet zeigt die Strecke. Bildquelle: SRF / Sarah Fluck.
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Bild 3 von 8. Einer der Coaches repariert eines der fast unbezahlbaren Räder: In Uganda sind gute Komponenten kaum erhältlich, Ersatzteile teuer und Importkosten hoch – jeder Handgriff zählt. Bildquelle: SRF / Sarah Fluck.
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Bild 4 von 8. Am Whiteboard hängen die Clubregeln: Klare Abläufe und Transparenz machen den Verein zu einem der wenigen in Uganda, dem die Sponsoren vertrauen. Bildquelle: SRF / Sarah Fluck.
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Bild 5 von 8. Auch draussen wird trainiert: Eine junge Fahrerin des Clubs wartet auf ihre Teamkollegen, bevor es gemeinsam auf eine Fahrt durch das Dörfchen Masaka geht. Bildquelle: SRF / Sarah Fluck.
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Bild 6 von 8. Inspiration aus dem Handy: Ein Coach zeigt einem jungen Fahrer Videos afrikanischer Radsportstars. Gemeinsam analysieren sie die Fahrweise. Bildquelle: SRF / Sarah Fluck.
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Bild 7 von 8. Training auf schwierigem Terrain: Fahrer des Masaka Cycling Clubs kämpfen sich durch die staubigen Strassen ihrer Heimatstadt – oft ohne Asphalt. Bildquelle: SRF / Sarah Fluck.
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Bild 8 von 8. Mit Clubs wie dem Masaka Cycling Club finden ugandische Fahrerinnen und Fahrer erstmals einen Weg auf die internationale Bühne – und der Radsport gewinnt in Uganda zunehmend an Beliebtheit. Bildquelle: SRF / Sarah Fluck.
Kapitänin des Frauenteams ist die heute 18-jährige Miria Nantume: «Als ich mit dem Radfahren anfing, sagten alle um mich herum: Das schaffst du nie. Aber meine Mutter hielt dagegen: Doch – du kannst das.» Inzwischen fährt sie an der Weltspitze: Bei der Rad-WM in Kigali startete Nantume im U23-Zeitfahren. «Radfahren ist nicht nur für Jungs», sagt sie – und will andere Mädchen ermutigen, ihrem Beispiel zu folgen.
Für junge Fahrer wie Nantume oder Baker sind internationale Idole mehr als nur sportliche Leitfiguren. Sie geben eine Richtung vor, wo der eigene Traum enden könnte. Namen wie Chris Froome oder Biniam Girmay, der erste afrikanische Etappensieger bei der Tour de France, tauchen immer wieder auf. «Wenn ich sehe, dass einer von uns es geschafft hat, weiss ich, dass auch ich es schaffen kann», sagt Baker. Solche Erfolge sind Treibstoff in einem Umfeld, in dem Strukturen schwach sind und Unterstützung fehlt.
Dass der Radsport in Afrika wächst, zeigt nicht zuletzt die WM in Ruanda. Für die jungen Talente in Masaka ist klar: Der Weg von der Black Mamba bis auf die Weltbühne ist schwer. Aber zum ersten Mal scheint er möglich – und inzwischen stehen sogar die ersten Fahrerinnen aus ihrem Club im grossen WM-Rennen in Kigali am Start.