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Radio Free Europe Der Albtraum der Autokraten

Für Autokraten ist der freiheitliche US-Auslandsender Radio Free Europe seit Jahrzehnten ein Ärgernis und eine Gefahr. Doch nun tut US-Präsident Donald Trump ihnen den Gefallen, Radio Free Europe den Geldhahn zuzudrehen. Wie reagiert man bei RFE? Man sendet einfach mal unverdrossen weiter.

Ein ruhiges Viertel im Osten von Prag. Viel Grün. Vogelgezwitscher. Gleich drei Friedhöfe befinden sich hier. Auf dem einen ist der Dichter Franz Kafka begraben, auf einem anderen der Befreiungsheld Vaclav Havel. Umgeben von all den Toten steht der grosse, graue Klotz des Hauptsitzes von Radio Free Europe oder kurz RFE.

Bürogebäude mit Radio Free Europe Radio Liberty Logo, umgeben von Bäumen.
Legende: Der Hauptsitz von Radio Free Europe in Prag – ein Bollwerk der Pressefreiheit, umgeben von Geschichte und unter Dauerbeschuss durch Autokraten. SRF/Fredy Gsteiger

RFE und seine Filiale für Russland seien trotz widriger Umstände quicklebendig, betont Kommunikationschef Lukas Bagin. Wenngleich US-Präsident Donald Trump und dessen zeitweiliger Assistent Elon Musk dem Sender finanziell den Stecker zogen, sende man einfach weiter: «Das zeigt die Entschlossenheit der 1700 Angestellten, darunter 700 hier am Sitz in Prag.»

Totgesagte leben länger

Ein erstes Mal totgesagt wurde RFE schon, nach dem Ende des Eisernen Vorhangs. Wozu brauchte man noch einen vom US-Parlament finanzierten Auslandsender, wenn überall freie und kritische Medien entstanden? Inzwischen machen sich vielerorts wieder Autokraten breit und gängeln Presse, Funk und Fernsehen. Russland, Iran, Belarus oder Afghanistan sind ohnehin Diktaturen. Sie hassen RFE und lassen den Sender attackieren, mal physisch, aktuell hauptsächlich mit Cyberangriffen. Wer zu Lukas Bagin und in die Redaktion will, muss deshalb mehr Sicherheitskontrollen passieren als auf Flughäfen. Dann schlagen schwere Türen hinter einem zu.

Karte der RFE/RL-Senderegion, Eurasien und Naher Osten hervorgehoben.
Legende: 23 Länder versorgt RFE in 27 Sprachen mit professionell aufbereiteten Informationen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Weiterhin mit Radio, aber auch mit Fernsehen, mit Texten, auf Tiktok, Youtube oder Instagram. SRF/Fredy Gsteiger

 Alsu Kurmasheva ist ein Aushängeschild bei RFE. Die Tatarin erinnert sich: «Als Kind sah ich meinen Grossvater zusammensitzen mit Nachbarn und Freunden, um heimlich RFE zu hören.» Der Sender galt als Nabelschnur zur freien Welt. Für ihn wollte Alsu später arbeiten, sich einsetzen für Freiheit: «Meine Kolleginnen und Kollegen und ich sind beseelt von dieser Mission. Doch wir sehen uns nicht als Aktivisten oder Propagandisten der Freiheit. Am meisten Macht haben wir mit Worten, mit Bildern, mit Fakten, also mit der Wahrheit.» Dieses Engagement forderte von Alsu Kurmasheva einen hohen Preis.

Person sitzt an einem Tisch bei RadioFreeEurope RadioLiberty.
Legende: Kurmasheva wurde in Russland mehrfach verhaftet, zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt, kam dann nach zehn Monaten 2024 bei einem Gefangenenaustausch mit dem Westen frei. SRF/Fredy Gsteiger

Derzeit sind drei RFE-Mitarbeiter politische Gefangene: in Russland, in Aserbaidschan und in Belarus. Kurmasheva und RFE kämpfen für ihre Befreiung.

Journalismus ohne Büros – RFE im Untergrund

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Im Iran, in Afghanistan, in Turkmenistan und nun auch in Russland kann RFE keine lokalen Büros unterhalten. Offiziell beschäftigt man, anders als früher, kein Heer von freien Journalisten mehr. Die Gefahr für sie wäre zu gross. Wie gelangt man also an all die Informationen? Andrey Shary, der Direktor der Russland-Abteilung, hält sich bedeckt: «Aber natürlich: Wir brauchen unbedingt Augen und Ohren vor Ort. Deshalb haben wir in allen Ländern, wo die Pressefreiheit unterdrückt wird, ein Netz von informellen Informanten aufgebaut.» Risikofrei ist selbst das nicht. Allein schon die Leute zu bezahlen, ist schwierig, ohne dass die jeweiligen Sicherheitsapparate es mitbekommen.

Die Aufgabe von RFE sei im Grunde simpel, so Andrey Shary, der Direktor der Russland-Abteilung: «Die Lücken füllen, die staatlich kontrollierte Medien offenlassen. Und das so ehrlich, so fair und transparent wie möglich.» Wie wichtig das ist und wie wertvoll Radio Free Europe für die Softpower, für das internationale Ansehen der USA ist, ist der Regierung von Donald Trump egal.

Mann in Radiostudio mit Mikrofon und roten Aufnahmelicht.
Legende: Schon jetzt sind beim RFE viele Angestellte auf Kurzarbeit gesetzt. SRF/Fredy Gsteiger

Ob der US-Kongress am Ende die Finanzierung doch noch fortführt, ist völlig offen, entscheidet sich aber demnächst. Darüber spekulieren mag man in den Redaktionen nicht, sondern konzentriert sich auf die journalistische Arbeit.

In irgendeiner Form wird man überleben.
Autor: Andrey Shary Direktor der Russland-Abteilung von RFE

Immerhin sagten die EU und etliche europäische Länder Mittel zu: Deutschland, Österreich, die Niederlande, Schweden. Doch sie würden einen Totalstopp der US-Zahlungen bei weitem nicht kompensieren. Dennoch gibt sich Andrey Shary zuversichtlich: «Ich kann nicht glauben, dass bald Schluss ist.» In irgendeiner Form werde man überleben.

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Echo der Zeit, 15.9.2025, 18 Uhr ; 

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