Ein ruhiges Viertel im Osten von Prag. Viel Grün. Vogelgezwitscher. Gleich drei Friedhöfe befinden sich hier. Auf dem einen ist der Dichter Franz Kafka begraben, auf einem anderen der Befreiungsheld Vaclav Havel. Umgeben von all den Toten steht der grosse, graue Klotz des Hauptsitzes von Radio Free Europe oder kurz RFE.
RFE und seine Filiale für Russland seien trotz widriger Umstände quicklebendig, betont Kommunikationschef Lukas Bagin. Wenngleich US-Präsident Donald Trump und dessen zeitweiliger Assistent Elon Musk dem Sender finanziell den Stecker zogen, sende man einfach weiter: «Das zeigt die Entschlossenheit der 1700 Angestellten, darunter 700 hier am Sitz in Prag.»
Totgesagte leben länger
Ein erstes Mal totgesagt wurde RFE schon, nach dem Ende des Eisernen Vorhangs. Wozu brauchte man noch einen vom US-Parlament finanzierten Auslandsender, wenn überall freie und kritische Medien entstanden? Inzwischen machen sich vielerorts wieder Autokraten breit und gängeln Presse, Funk und Fernsehen. Russland, Iran, Belarus oder Afghanistan sind ohnehin Diktaturen. Sie hassen RFE und lassen den Sender attackieren, mal physisch, aktuell hauptsächlich mit Cyberangriffen. Wer zu Lukas Bagin und in die Redaktion will, muss deshalb mehr Sicherheitskontrollen passieren als auf Flughäfen. Dann schlagen schwere Türen hinter einem zu.
Alsu Kurmasheva ist ein Aushängeschild bei RFE. Die Tatarin erinnert sich: «Als Kind sah ich meinen Grossvater zusammensitzen mit Nachbarn und Freunden, um heimlich RFE zu hören.» Der Sender galt als Nabelschnur zur freien Welt. Für ihn wollte Alsu später arbeiten, sich einsetzen für Freiheit: «Meine Kolleginnen und Kollegen und ich sind beseelt von dieser Mission. Doch wir sehen uns nicht als Aktivisten oder Propagandisten der Freiheit. Am meisten Macht haben wir mit Worten, mit Bildern, mit Fakten, also mit der Wahrheit.» Dieses Engagement forderte von Alsu Kurmasheva einen hohen Preis.
Derzeit sind drei RFE-Mitarbeiter politische Gefangene: in Russland, in Aserbaidschan und in Belarus. Kurmasheva und RFE kämpfen für ihre Befreiung.
Die Aufgabe von RFE sei im Grunde simpel, so Andrey Shary, der Direktor der Russland-Abteilung: «Die Lücken füllen, die staatlich kontrollierte Medien offenlassen. Und das so ehrlich, so fair und transparent wie möglich.» Wie wichtig das ist und wie wertvoll Radio Free Europe für die Softpower, für das internationale Ansehen der USA ist, ist der Regierung von Donald Trump egal.
Ob der US-Kongress am Ende die Finanzierung doch noch fortführt, ist völlig offen, entscheidet sich aber demnächst. Darüber spekulieren mag man in den Redaktionen nicht, sondern konzentriert sich auf die journalistische Arbeit.
In irgendeiner Form wird man überleben.
Immerhin sagten die EU und etliche europäische Länder Mittel zu: Deutschland, Österreich, die Niederlande, Schweden. Doch sie würden einen Totalstopp der US-Zahlungen bei weitem nicht kompensieren. Dennoch gibt sich Andrey Shary zuversichtlich: «Ich kann nicht glauben, dass bald Schluss ist.» In irgendeiner Form werde man überleben.