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Deutschland: Razzia gegen «Reichsbürger»
Aus Echo der Zeit vom 07.12.2022. Bild: KEYSTONE/DPA/Julian Rettig
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Razzia in Deutschland Grossrazzia im Reichsbürger-Milieu – 25 Festnahmen

  • Die deutsche Bundesanwaltschaft hat 25 Personen aus der sogenannten Reichsbürgerszene festnehmen lassen.
  • Sie sollen einen Umsturz geplant und dafür teilweise auch mit Waffen trainiert haben.
  • Rund 3000 Polizeibeamte waren am Mittwochmorgen in elf Bundesländern im Einsatz.

Eine terroristische Vereinigung habe die staatliche Ordnung in Deutschland stürzen und durch eine eigene ersetzen wollen, die in Grundzügen schon ausgearbeitet sei, sagte eine Sprecherin der deutschen Bundesanwaltschaft gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Ermittler der Polizei durchsuchen eine Garage in Berlin Wannsee
Legende: Mehr als 130 Objekte wurden durchsucht, erklärte eine Sprecherin der deutschen Bundesanwaltschaft. Für die Vereinigung gebe es noch keinen Namen. Keystone/DPA/Paul Zinken

Bei 22 der Festgenommenen soll es sich um Mitglieder dieser terroristischen Vereinigung gehandelt haben. Zwei davon seien Rädelsführer. Drei weitere gelten als Unterstützer. Zudem gebe es 27 weitere Beschuldigte, so die Sprecherin.

Netzwerk peilte Systemwechsel an

Die Vereinigung begründe sich den Erkenntnissen zufolge auf Verschwörungsmythen. Die Mitglieder seien der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten Deep States, eines «tiefen Staats», regiert werde, hiess es in einer Mitteilung.

Vermummte Polizisten führen einen Mann ab.
Legende: Zu den von der Polizei abgeführten Verdächtigen gehört auch Heinrich VIII. Prinz Reuss. Es bestehen offenbar auch Beziehungen zu Russland. Dem geht man bei den Ermittlungen nach. Seine Adelsfamilie hat sich schon explizit von ihm distanziert. Boris Roessler/dpa

Ein Angriff eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschliesslich der Russischen Föderation sowie der USA, stehe dieser Überzeugung nach kurz bevor.

Das Phänomen «Reichsbürger»

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«Reichsbürger» sind Menschen, welche die Bundesrepublik Deutschland und ihre staatlichen Strukturen nicht anerkennen. Sie behaupten, dass das Deutsche Reich (1871–1945) weiter existiere. Sie weigern sich oft, Steuern zu bezahlen. Nicht selten stehen sie im Konflikt mit Behörden. Der deutsche Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21'000 Anhängerinnen und Anhänger zu.

Bei etwas mehr als fünf Prozent von ihnen, also rund 1150, handelt es sich nach Angaben der Behörde um Rechtsextremisten. Im Jahr 2021 rechnete der Verfassungsschutz der Szene «Reichsbürger und Selbstverwalter» 1011 extremistische Straftaten zu.

Bei einer Razzia 2016 hatte ein sogenannter Reichsbürger im bayerischen Georgensgmünd auf vier Polizisten geschossen. Einer von ihnen erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Das Spezialeinsatzkommando wollte die Waffen des Jägers beschlagnahmen.

Spätestens Ende November 2021 sollen die beschuldigten Personen die Gruppierung gegründet haben. Zentrales Gremium sei ein «Rat». Dieser verfüge, ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung, über Ressorts wie Justiz, Aussen und Gesundheit.

«Die Mitglieder des ‹Rates› haben sich seit November 2021 regelmässig im Verborgenen getroffen, um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen», teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Ein «militärischer Arm» sollte den demokratischen Rechtsstaat auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen «beseitigen», hiess es. Der Vereinigung sei bewusst, dass es dabei zu Toten kommen werde. «Sie nimmt dieses Szenario aber als notwendigen Zwischenschritt zur Erreichung des von ihr angestrebten ‹Systemwechsels auf allen Ebenen› zumindest billigend in Kauf», so die Bundesanwaltschaft.

Aktive und Ex-Militärs unter Verdächtigen

Einige mutmassliche Mitglieder des militärischen Arms hätten aktiv Dienst in der Bundeswehr geleistet. Auch hätten sie vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei für den geplanten Staatsumsturz rekrutieren wollen.

Russland: Innere Angelegenheit Deutschlands

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Russland hat die bundesweite Razzia gegen die sogenannte Reichsbürgerszene als innere Angelegenheit Deutschlands bezeichnet. «Das ist eher ein inneres Problem der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben selbst festgestellt, dass hier keine Rede von einer Einmischung Russlands sein kann», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Agentur Interfax.

Russland habe Umsturzplänen einer Terrorgruppe in Deutschland nur aus den Medien erfahren und könne nichts dazu sagen, meinte Peskow.

Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft richten sich auch gegen einen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr und mehrere Reservisten der Bundeswehr. Der aktive Soldat sei im Stab des KSK eingesetzt, sagte ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes (MAD).

Offenbar waren die Beschuldigten bewaffnet. Woher die Gruppierung die Waffen hat, ist noch nicht ganz klar. Durch die Kontakte zur Bundeswehr sei der Zugang zu Waffen jedoch erleichtert gewesen, sagt SRF-Deutschlandkorrespondentin Simone Fatzer.

Zudem sei es wegen des Ukraine-Kriegs im Moment sehr einfach, an Waffen zu kommen, wie ein Rechtsextremismusexperte ihr erklärte. «Der Schwarzmarkt werde geradezu überschwemmt. Wie viele Waffen diese Leute besitzen und woher genau, ist aber noch offen.»

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Aus dem Archiv: Reichsbürger sollen entwaffnet werden
aus 4x4 Podcast vom 19.10.2018. Bild: Keystone
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Ausgangspunkt der Ermittlungen sollen Verbindungen von Mitgliedern der nun ausgehobenen Vereinigung zu Angehörigen der Gruppe «Vereinte Patrioten» sein, die im April festgenommen worden waren und geplant haben sollen, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu entführen.

Rendez-vous, 07.12.22, 12:30 Uhr;

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