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Rechtsgutachten zur Nazizeit Schuldet Deutschland den Griechen doch noch Milliarden?

Vertretbar, aber nicht zwingend: Ein Gutachten des Bundestags zu Reparationsforderungen wegen der Nazizeit polarisiert.

Griechenland verlangt von Deutschland Entschädigung für die Zeit der Nazi-Besetzung im Zweiten Weltkrieg. Die Forderung ist alt, gewann aber wieder an Bedeutung, als Griechenland in der Finanzkrise zahlungsunfähig wurde und ausgerechnet von Deutschland zu einer radikalen Sparpolitik gedrängt wurde. Der damalige Premier Alexis Tsipras sprach von einer offenen Schuld Deutschlands.

Gutachten: Vertretbar, aber nicht zwingend

Berlin wies die Forderung unter Verweis auf bestehende Verträge stets zurück, doch jetzt greift ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags diese Position an: Die Haltung der deutschen Regierung sei völkerrechtlich vertretbar, aber sie sei nicht zwingend. Zu Polen kommt die Expertise zum Schluss, dass Forderungen nicht gerechtfertigt seien, da Warschau 1953 und nochmals 1970 Verzichtserklärungen abgegeben habe.

Die Regierung Merkel stellt sich auf den Standpunkt, das Verhältnis zu Griechenland sei eigentlich schon 1945 an der Pariser-Konferenz geklärt worden. Dort wurde Griechenland ein kleiner Prozentsatz der deutschen Kriegsreparationen zugesprochen, ein Betrag von umgerechnet heute zwei Milliarden Euro.

Zwei-Plus-Vier-Vertrag

1960 wurde ein zweiter Vertrag unterzeichnet. Deutschland zahlte an Opfer von Nazi-Verbrechen 115 Millionen D-Mark. Einen Friedensvertrag mit Griechenland, der alle Fragen geregelt hätte, gibt es aber nicht.

Deutschland beruft sich darum auf den sogenannten Zwei-Plus-Vier-Vertrag, der nach der Wiedervereinigung Deutschlands abgeschlossen wurde. Die beiden Deutschland sassen auf der einen Seite des Tisches. Auf der anderen die früheren Siegermächte USA, Russland, Grossbritannien und Frankreich. Nach Ansicht der deutschen Regierung regelt dieser Vertrag alle Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Das Thema Reparationen wird darin nicht angesprochen.

Griechische Experten: 290 Milliarden Euro

Griechische Experten haben eine Summe von 290 Milliarden Euro errechnet – für die menschlichen und die materiellen Schäden: Mord, Folter, Zerstörungen, Plünderungen. Aber auch für eine Zwangsanleihe, die das Land der deutschen Reichsbank überweisen musste. Mit diesem Geld wurde die Besetzung Griechenlands finanziert. Nach dem Krieg ist dieser zinslose Kredit nie zurückbezahlt worden.

Fall für Den Haag?

Ob sich die bestehenden Verträge rechtlich durchsetzen oder mindestens ein Teil der hohen griechischen Forderungen, könnte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag entscheiden. Deutschland müsste damit aber einverstanden sein und ist dieser Auseinandersetzung bisher ausgewichen.

«Das widerspricht allen internationalen Gepflogenheiten», sagt Heinz Richter, der als führender deutscher Historiker zur Geschichte Griechenlands im 20. Jahrhundert gilt. Das Thema sei im Grunde bereits im Londoner Vertrag von 1952 sowie im Zwei-Plus-Vier-Vertrag von 1989 abgehandelt worden, bekräftigt er. Mit letzterem sei auch niemand über den Tisch gezogen worden: «Man war aufgrund der Erfahrungen von Versailles weise genug, nicht nochmals etwas Ähnliches heraufzubeschwören.»

Das widerspricht allen internationalen Gepflogenheiten.
Autor: Heinz Richter Historiker, emeritierter Professor an der Universität Mannheim, SPD-Mitglied

Laut Richter hat Griechenland den Zwei-Plus-Vier-Vertrag zwar nicht unterschrieben, aber auch nicht schriftlich dagegen Stellung genommen und damit nach internationalem diplomatischen Brauch zugestimmt. Tsipras habe damals versucht, an Geld zu kommen.

Scharfe Reaktion aus Polen

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Das Bundestagsgutachten zu Entschädigunsansprüchen Griechenlands und Polens stösst in Warschau auf Kritik. Es sei «ein Versuch, die Solidarität Polens und Griechenlands zu spalten», sagte der Reparationsbeauftragte Arkadiusz Mularczyk gegenüber der Agentur DPA.

«Man sieht, dass die Expertise auf eine Art versucht, Polen von Griechenland abzugrenzen, was meiner Meinung nach nicht richtig ist», unterstrich der Politiker der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Laut Mularczyk entspricht die Expertise aus dem deutschen Parlament weder internationalem Recht noch Fakten. «Es gibt kein Dokument, das im Land oder international im Umlauf ist, in dem Polen angeblich auf Reparationen verzichtet hat. Wenn die Deutschen so ein Dokument haben, sollten sie es zeigen», so Mularczyk.

In Polen wurden seit 2017 aus PiS-Kreisen wiederholt Forderungen nach Entschädigungen aus Deutschland für den Zweiten Weltkrieg laut. Offizielle Ansprüche der Regierung gab es bisher aber nicht. Eine von Mularczyk geleitete Parlaments-Arbeitsgruppe lässt Ansprüche gegenüber Berlin untersuchen. Die Vorstellung ihres Berichts ist noch für 2019 geplant. Ein genaues Datum gibt es bisher nicht.

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