Zum Inhalt springen

Rede zur Lage der Union Juncker hatte auch schon stärkere Auftritte

Jean-Claude Juncker ist – wenn er will – ein guter Redner. Mit Witz, mit Humor. Ein Redner, der sich positioniert, der angreift. Ein Redner auch, der sich nicht scheut Visionen zu äussern.

Seine Rede zur Lage der Union wird nicht als seine stärkste in die Geschichte seiner Amtszeit eingehen. Juncker selber wirkte müde. Das liegt vielleicht auch am Zeitpunkt. Seine Amtszeit ist bald zu Ende, die Kommission wird nicht mehr viele neue Gesetzesprojekte aufgleisen. Trotzdem ist es zu früh, um schon Bilanz über seine Zeit als Kommissionspräsident zu ziehen.

Politisch sind die anderen Akteure und Institutionen in der EU an der Reihe, das Parlament und der Ministerrat. Juncker betonte denn auch verschiedentlich, diese müssten bereits aufgegleiste Gesetzesprojekte nun endlich fertig beraten und ins Ziel bringen – allen voran die Reform des europäischen Asylsystems. Es dürfe nicht sein, dass bei jedem Schiff mit geretteten Flüchtlingen und Migranten auf dem Mittelmeer die EU in eine Krise versinke. Die EU muss ihre Handlungsfähigkeit beweisen, um den Populisten etwas entgegenzuhalten – das ist Junckers Grundsatz.

Prinzip der Einstimmigkeit müsse aufhören

Die Handlungsfähigkeit in der Weltpolitik ist ein zweiter Punkt, auf den Juncker ausführlich einging. Er spricht von der Weltpolitikfähigkeit der EU. Diese sei dann gegeben, wenn die EU geschlossen agiere. Dann sei die EU ein Player mit Macht. Das Prinzip der Einstimmigkeit ist aber oftmals der Grund, warum die europäische Stimme auf der Weltbühne nicht zu hören ist.

Wenn ein Mitgliedstaat ausschert, ist die EU handlungsunfähig. Das müsse aufhören. Juncker plädierte deshalb auch dafür, dass sich die EU vom Prinzip der Einstimmigkeit in der Aussenpolitik verabschiedet.

Weltpolitikfähigkeit fordert Juncker auch bei der Währung. Der Konflikt rund um das Atomabkommen mit dem Iran sei der beste Beweis, dass die EU die eigene Währung auch auf internationaler Ebene stärken müsse. Doch sei das nur möglich, wenn die EU gegen innen die Währungsunion stärke und vertiefe.

Und damit sind wieder die anderen Institutionen und Akteure aufgerufen, in den nächsten Wochen und Monaten bei den wichtigen Themen vorwärts zu machen, um den Populisten und Nationalisten bis zu den Europa-Wahlen im nächsten Frühling etwas entgegenzuhalten. Juncker versuchte wohl dafür mit seiner Rede heute den Startschuss zu geben. Auch wenn sich manche diesbezüglich einen etwas kraftvolleren Auftritt gewünscht hätten.

Oliver Washington

Bundeshausredaktor

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Oliver Washington ist seit 2003 bei SRF. Ab 2007 war er Mitglied der Inland-Redaktion, von 2014 bis 2019 berichtete er als EU-Korrespondent aus Brüssel. Nun ist er in der Bundeshausredaktion von SRF tätig. Washington hat Soziologie, Geografie und Wirtschaftsgeschichte studiert.

Meistgelesene Artikel