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Referendum auf den Philippinen Chance auf Frieden im muslimischen Mindanao

Im Süden der Philippinen entsteht eine neue autonome Region für die muslimische Bevölkerung. Nach jahrzehntelangen Kämpfen könnte es endlich klappen: Frieden auf Mindanao.

Das Dorf Tukanalipao war immer ein Widerstandsnest. Fast alle Männer haben hier gekämpft. Heute wirkt es friedlich: Wir treffen vier Männer der Moro Islamic Liberation Front (MILF) in Kampfuniformen, sie sitzen gemütlich im Kreis. Abdul Aziz Balagaban kämpfte, seit er 18 Jahre alt war.

«Ich erwarte viel von der Bangsamoro Autonomous Region in Muslim Mindanao (BARMM), dafür haben wir gekämpft», sagt er. «Aber wenn es nicht funktioniert, kämpfen wir weiter. Ich stehe bereit.»

Mehr Autonomie und Waffenniederlegung

Am 21. Januar haben 88 Prozent von zwei Millionen Stimmberechtigten die Errichtung der BARMM gutgeheissen. Am Mittwoch haben weitere 700'000 Stimmbürger entschieden, ob noch mehr Gebiete dazustossen sollen. Resultate gibt es noch keine.

Die BARMM bringt mehr Autonomie in der Rechtssprechung, mehr finanzielle Einnahmen und mehr Selbstbestimmung. Zum Beispiel sollen 75 Prozent der Einnahmen aus natürlichen Ressourcen in der Region bleiben, statt nach Manila zu fliessen. Auch wird BARMM aus dem nationalen Budget jährlich 5 Milliarden Pesos (100 Millionen Franken) zum Aufbau zerstörter Gebiete erhalten.

Im Gegenzug legt die MILF ihre Waffen nieder. Ihr politischer Arm übernimmt die Regierungsverantwortung für drei Jahre. Dann soll es Wahlen geben. Ein jahrzehntealter Konflikt soll endlich zu Ende gehen. Fast 50 Jahre lang haben bewaffnete Gruppen gekämpft. Über 120'000 Menschen sind gestorben.

Die Muslime leben seit Jahrhunderten in diesem Teil der Philippinen. Bei Ankunft der spanischen Kolonialisten im 16. Jahrhundert existierten hier mehrere Sultanate. Seit damals empfinden die Menschen die Unterjochung und Einverleibung als Unrecht. Das änderte sich weder unter der amerikanischen Herrschaft, noch unter dem heutigen christlich dominierten Zentralstaat.

Zulauf zu Extremisten stoppen

Viele hoffen, das die BARMM den Zulauf zu extremistischen Gruppen stoppt. Zur neuen Region gehört auch Marawi. Die Stadt war 2017 für fünf Monate unter der Kontrolle des lokalen Islamischen Staats (IS). Die Armee hat die Stadt befreit, seither ist sie sicher.

Oberst Romeo Brawner hatte die Befreiungsaktion geleitet. «Es ist gut möglich, dass die BARMM die Kultur hier in Marawi verändert», sagt er. «Langsam realisieren die Menschen, wie es ist, in Frieden zu leben.»

Doch bis zum Frieden ist es noch ein langer Weg. Kaum eine Woche nach dem ersten Abstimmungsdatum sind in der Kathedrale von Jolo zwei Bomben explodiert. Die Terrorgruppe «Abu Sayyaf» wird als Urheber vermutet.

Vor allem junge Männer aus der Region sind dem IS beigetreten. Einer davon ist Ahmad, er hält sich zur Zeit versteckt. In Marawi hat er nicht gekämpft, doch im Training hat er das Schiessen gelernt. «Wir legen die Waffen erst nieder, wenn der Koran als Gesetz akzeptiert wird», sagt er. Die Ideen des IS lehnt die grosse Mehrheit der Bevölkerung von Marawi klar ab.

«Ziel ist die ganze Insel»

Im Dorf Tukanalipao ist Dorfchef Ismail Hasim guter Dinge: «Ich bin sehr zuversichtlich, dass es klappen wird.» Hasim trägt kein Gewehr mehr. Er ist älter als die vier jungen Soldaten. Für sie alle ist das Waffentragen vorläufig zu Ende – doch der Kampf geht weiter. «Die BARMM ist eine temporäre Lösung», sagt Hasim. «Das Ziel ist, die ganze Insel zurückzuerhalten. Wir wollen die Christen nicht vertreiben. Aber wir wollen, was historisch uns gehört.»

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