Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Regelung in Bundesstaat Was bewirkt eine bezahlte Menstruationsauszeit in Indien?

Es ist eine Premiere in Indien: Frauen, die Menstruationsbeschwerden haben, können im Bundesstaat Karnataka künftig bezahlte Krankentage nehmen. Auch private Arbeitgeber müssen sich an die neue Regelung halten. SRF-Südasien-Korrespondentin Maren Peters führt aus, wer von der Menstruationsauszeit profitieren und wie viel diese bewirken dürfte.

Maren Peters

Südasien-Korrespondentin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Maren Peters ist seit September 2022 Südasien-Korrespondentin für Radio SRF und berichtet von Indien aus über Afghanistan, Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Nepal, Bhutan und die Malediven. Zuvor war sie Wirtschaftsredaktorin bei Radio SRF. Dabei beschäftigte sie sich insbesondere mit internationaler Wirtschafts- und Entwicklungspolitik sowie Nachhaltigkeits- und Rohstofffragen.

Was bedeutet die neue Regelung in Karnataka genau?

Frauen zwischen 18 und 52 Jahren, die in Karnataka bei der Regierung oder privaten Unternehmen in einem festen Vertragsverhältnis arbeiten, dürfen künftig einen Tag pro Monat freinehmen. Sie brauchen dafür keine ärztliche Bescheinigung und die Abwesenheit ist bezahlt. Die Regelung schliesst auch private Arbeitgeber ein. Bisher gibt es nur wenige Bundesstaaten, die einen solchen Tag für staatliche Angestellte vorsehen.

Wie viele Frauen können davon profitieren?

Bis zu 400'000 Frauen könnten die Regelung nutzen. Die Mehrheit der arbeitenden Frauen in Karnataka profitiert aber nicht davon. Rund sechs Millionen Frauen arbeiten im informellen Sektor, also ohne festen Arbeitsvertrag. Dazu zählen zum Beispiel Haushälterinnen, Tagelöhnerinnen auf dem Bau oder Frauen, die für einen App-Lieferdienst arbeiten. Sie sind ausgeschlossen.

Wird diese bezahlte Absenz genutzt werden?

Die Nutzung dürfte zurückhaltend ausfallen. Denn Menstruation ist in Indien stark tabuisiert. Im konservativen Hindugürtel wird oft nicht einmal in der Familie darüber gesprochen. Manche Frauen dürfen während ihrer Tage weder Tempel noch Küche betreten, weil sie als unrein gelten. Viele Frauen dürften zögern, mit ihren Arbeitgebern über dieses Thema zu reden. Dazu kommt, dass vermutlich nicht alle Arbeitgeber darüber erfreut sind, dass sie den Lohn trotzdem bezahlen müssen.

Warum ist Menstruation in Indien ein Tabuthema?

Das Tabu ist gesellschaftlich und nicht religiös bedingt. Religiöse Hinduschriften erwähnen nicht, dass menstruierende Frauen unrein sind oder Unglück bringen. Die patriarchal geprägte Gesellschaft hat diese Tabus geschaffen, vermutlich auch, um Frauen von bestimmten Orten auszuschliessen. Es gibt grosse regionale Unterschiede: In liberaleren Städten ist die Menstruation weniger tabu als in ländlichen, konservativen Gegenden.

Gläubige betet mit den Armen angelehnt beim Kamakhya-Tempel.
Legende: Das Tabu der Menstruation wurde in Indien durch die Gesellschaft geprägt und ist keine alte religiöse Tradition. imago images / Dasarath Deka

Ist Karnataka damit besonders fortschrittlich?

Ja, das Recht auf bezahlte Menstruationsauszeit ist fortschrittlich, weil in Karnataka zum ersten Mal auch der Privatsektor einbezogen wird. Von daher: ein guter erster Schritt. Aber auch in Karnataka müssen Frauen noch um Gleichberechtigung und gesellschaftliche Teilhabe kämpfen – wie im Rest Indiens.

Wie viel kann eine solche Regierungsmassnahme bewirken?

Einige Frauen aus Bangalore hoffen, dass das jetzt gesetzlich fixierte Wort «Menstruationsauszeit» eine Diskussion über das Tabuthema anstösst. Vielleicht ist das aber auch allzu optimistisch. Auch Bundesstaaten wie Bihar, der seit den 1990er-Jahren Menstruationstage für Regierungsangestellte erlaubt, konnten das gesellschaftliche Tabu nicht aufbrechen.

SRF 4 News, 19.11.2025, 6:46 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel