Zum Inhalt springen

Regierung greift ein Impfstoff-Skandal empört chinesische Eltern

Mehrere hunderttausend Kinder haben womöglich wirkungslose Impfstoffe erhalten. Die Eltern sind entsetzt und verlangen Aufklärung. Die Regierung will die Verantwortlichen bestrafen.

In den chinesischen Social Media empören sich Eltern über wirkungslose Impfstoffe, die im letzten Jahr an Kinder verabreicht wurden. In der ostchinesischen Provinz Shandong sollen über 200'000 Kinder betroffen sein, wie die staatliche Zeitung «China Daily» berichtet.

Der chinesische Premierminister Li Keqiang rief zu einer vollständigen Aufklärung des Falles auf, sogar Chinas Präsident Xi Jinping meldete sich von seiner Afrika-Reise und forderte die Bestrafung der Verantwortlichen. Chinas Regierung demonstriert damit öffentlich, dass sie die Empörung der Menschen ernst nimmt.

Erste Festnahmen

Box aufklappen Box zuklappen

Die Behörden in China haben die Chefin des verantwortlichen Pharma-Unternehmens mittlerweile festgenommen. Auch fünf weitere Mitarbeitende der Firma Changsheng Life Sciences wurden in Gewahrsam genommen.

Tollwut und Tetanus

Im Fokus des Skandals steht das Unternehmen Changsheng Life Sciences. Seine Impfungen gegen Tetanus, Keuchhusten und Diphterie wurden im vergangenen Jahr von den Behörden als qualitativ ungenügend eingestuft. Das Unternehmen musste eine Busse bezahlen, die Impfstoffe waren aber bereits auf dem Markt. Unklar ist, ob die Impfstoffe gefährlich sind oder «nur» unwirksam.

Der Skandal wurde erst einer breiten Öffentlichkeit bekannt, nachdem vergangene Woche dasselbe Unternehmen wegen Tollwut-Impfungen in den Fokus der Medien kam. Es soll Daten seiner Impfstoffe für Menschen gefälscht haben. In ländlichen Gebieten in China ist Tollwut nach wie vor vorhanden, über Bisse von wilden Hunden kommt es auch immer wieder zur Übertragung auf Menschen.

Wenig Vertrauen in Nahrungsmittel und Impfungen

Es ist nicht der erste Skandal um Impfstoffe in China: Erst vor zwei Jahren flog ein Netzwerk auf, das über Jahre abgelaufene Impfstoffe gegen Kinderkrankheiten illegal an Kliniken und Spitäler lieferte.

2008 schockierte ein Skandal um vergiftetes Babymilchpulver die chinesische Öffentlichkeit, nachdem Tausende von Babys erkrankten. Das Vertrauen in chinesisches Milchpulver konnte bis heute nicht wieder hergestellt werden. Auch zehn Jahre nach dem Skandal kaufen chinesische Eltern lieber ausländisches Babymilchpulver.

Das Vertrauen fehlt auch im medizinischen Bereich: Viele wohlhabende chinesische Eltern lassen ihre Kinder schon jetzt in internationalen Kliniken behandeln oder reisen für Impfungen sogar nach Hongkong. Der jüngste Skandal hat das Vertrauen in den einheimischen Medikamentenmarkt nun noch weiter erschüttert.

Sendebezug: SRF 4 News, 12:30 Uhr

Martin Aldrovandi

Südostasien-Korrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Martin Aldrovandi berichtet seit Frühjahr 2023 als Korrespondent für Radio SRF aus Südostasien. Zuvor war er von 2016 bis Sommer 2022 Korrespondent für Radio SRF in Nordostasien mit Sitz in Schanghai. Davor hatte er mehrere Jahre lang als freier Journalist aus dem chinesischsprachigen Raum berichtet.

Meistgelesene Artikel