Zweimal ist Premier Benjamin Netanjahu dieses Jahr an der Regierungsbildung gescheitert. Nun solls sein Rivale richten: Staatspräsident Re'uwen Riwlin erteilt Benny Gantz am Mittwochabend das Mandat. Der Ex-Militär hat nun einen knappen Monat Zeit, Koalitionspartner zu finden. Scheitert auch er, drohen wieder Neuwahlen.
SRF News: Wird es Benny Gantz schaffen, eine Regierung auf die Beine zu stellen?
Gisela Dachs: Es bleibt fraglich, was er anders machen kann als Netanjahu, denn auch Gantz möchte eine grosse Koalition mit dem Likud. Unwägbar ist auch, ob die Generalstaatsanwaltschaft nun Anklage gegen Netanjahu erhebt. Gantz' Mitte-Links-Bündnis Blau-Weiss will nicht mit jemanden in der Regierung sitzen, der angeklagt ist.
Wer käme als Koalitionspartner infrage?
Die stabilste Mehrheit gäbe es nach wie vor mit dem Likud, aber wohl nur ohne Netanjahu. Seit Dienstagabend gibt es Spekulationen, dass Gantz mit einem Team des Likuds – und nicht direkt mit Netanjahu – verhandeln möchte. Aber die Partei fällt dem amtierenden Premier nicht in den Rücken.
Die stabilste Mehrheit gäbe es nach wie vor mit dem Likud, aber wohl nur ohne Netanjahu.
Für Netanjahu kam nur eine Koalition mit dem gesamten Rechtsblock in Frage. Ob es da Spielraum gibt, ist offen. Andere Optionen für Gantz wären eine Koalition mit Lieberman, mit ultraorthodoxen Parteien oder eine Minderheitsregierung. Das sind aber alles weniger stabile Optionen.
Wie wahrscheinlich ist eine Minderheitsregierung?
Unter der Regierung Rabin gab es das in den 90er-Jahren. Die arabische Minderheit unterstützte in diesem Fall von aussen eine Regierung. Im Prinzip wäre die Arabische Liste wieder dazu bereit. Sie wollen nicht direkt Mitglied der Regierung sein und man will sie auch nicht dabei haben. Allerdings wäre eine Minderheitsregierung eine kurzfristige und sehr fragile Lösung.
Warum?
Innerhalb der Arabischen Liste gibt es radikale Kräfte. Es bräuchte nur einen Konflikt, etwa das Vorgehen der Regierung im Fall von Angriffen aus den Palästinensergebieten, und sie könnten die Regierung stürzen. Gantz benutzt die Möglichkeit im Moment eher als Drohmittel, um zu versuchen, doch noch eine grosse Koalition mit dem Likud auf die Beine zu kriegen.
Falls Gantz weder Koalitionspartner findet noch eine Minderheitsregierung organisieren kann: Was dann? Neuwahlen – schon wieder?
Davon ist zumindest immer mehr die Rede. Das wäre die dritte Wahl innerhalb von zehn Monaten, die in Israel niemand will. Man kann auch kaum davon ausgehen, dass Neuwahlen ein anderes Ergebnis erbringen würden. Wenn Gantz nach 28 Tagen scheitert, kann Staatspräsident Riwlin noch jemand anderes für 21 Tage mit der Regierungsbildung beauftragen – und Druck für eine grosse Koalition zwischen Blau-Weiss und Likud machen. Man geht davon aus, dass erst in der letzten Woche richtig Fahrt aufkommen wird, in der man an alle Verantwortlichen appelliert: Rauft euch zusammen und verhindert Neuwahlen.
Könnten diese Parteien sich unter solchem Druck tatsächlich zusammenfinden?
Das hängt davon ab, was sich innerhalb des Likuds noch tun könnte. Es sieht aus, als würde die Generalstaatsanwaltschaft Anklage gegen Netanjahu erheben; dann würden im Likud wohl die Karten neu gemischt. Es gibt mehrere Bewerber für die Nachfolge Netanjahus als Parteichef, die jetzt noch stillhalten. Deren Verhältnis zu Gantz ist weniger belastet. Ob sich all das im nächsten Monat entknotet, bleibt offen.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.