Ein Korruptionsskandal erschüttert Spaniens sozialistische Partei und damit die linke Koalitionsregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez. Dennoch stehen die Parteien, die ihn bisher stützten, vorerst weiter hinter ihm. Rücktritt und Misstrauensvotum scheinen fürs Erste vom Tisch. Erklärungen von Auslandredaktorin und Spanienexpertin Karina Rierola.
Worum geht es bei der Regierungskrise in Spanien?
Die Nummer drei der sozialistischen Partei, Santos Cerdán, soll rund 600'000 Euro Schmiergelder verwaltet haben für die Vergabe staatlicher Bauaufträge. Das Geld kassierten er und mindestens ein weiterer Komplize. Letzte Woche kamen die Ermittlungen einer auf Korruption spezialisierten Einheit der Guardia Civil ans Licht – mit erdrückenden Indizien, darunter abgehörte Gespräche. Cerdán hat inzwischen alle Ämter niedergelegt. Er war ein enger Vertrauter von Ministerpräsident Sánchez.
Was wusste Ministerpräsident Pedro Sánchez?
Nichts, beteuert Sánchez selber – auch gestern Montag nach einer fünfstündigen Sitzung der Parteispitze, die ihn gelöchert haben soll. Er gab sich enttäuscht und empört und betonte, dass er sofort gehandelt habe: Er ordnete eine externe Prüfung der Parteifinanzen sowie eine parteiinterne Untersuchungskommission an. Zudem fordert Sánchez auch eine parlamentarische Untersuchungskommission. Er stehe für Nulltoleranz bei Korruption. Dass er von nichts wusste, nehmen ihm die rechten Parteispitzen nicht ab.
Warum sind Rücktritt, Misstrauensvotum und Neuwahlen vorerst vom Tisch?
Sánchez selbst schliesst einen Rücktritt aus. Die Volkspartei PP und die Rechtsaussenpartei Vox fordern ihn zwar dazu auf und verlangen vorgezogene Neuwahlen, doch die Volkspartei will einen Misstrauensantrag weder stellen noch unterstützen – im Wissen, dass sie keine Mehrheit findet. Die linke Koalitionspartei Sumar sowie die baskischen und katalanischen Parteien, die Sánchez bisher unterstützen, verlangen zwar hartes Durchgreifen, scheinen aber angesichts sinkender Umfragewerte nicht an Neuwahlen interessiert.
Warum profitieren die rechten Parteien nicht vom Skandal?
Oppositionsführer und Volkspartei-Chef Alberto Núñez Feijóo gibt sich zwar empört, kann damit Umfragen zufolge aber nicht punkten. Der Grund: Die Volkspartei war unter Ministerpräsident Mariano Rajoy 2018 selbst wegen Korruption im grossen Stil verurteilt und ihre Regierung in der Folge gestürzt worden. Auch Vox wurde kürzlich wegen illegaler Parteienfinanzierung zu einer Busse von 800'000 Euro verurteilt. Sollte der Skandal bei den Sozialisten aber weitere Kreise ziehen, kann sich das rasch ändern.