Der Gewinner der gestrigen Parlamentswahl in Moskau durfte offiziell gar nicht antreten. Korruptionsaktivist Alexei Nawalny ist wegen umstrittenen Gerichtsurteilen als Kandidat von Wahlen ausgeschlossen.
Erfolg durch «Kluges Wählen»
Dennoch prangt heute das Gesicht des 43-jährigen unter der Schlagzeile «Das Moskauer Parlament wird schlau» auf der Frontseite von einer der einflussreichsten Zeitungen des Landes «Wedomosti». Eine Anspielung auf den Erfolg von Nawalnys Strategie «Kluges Wählen», unter welcher er dazu aufgerufen hatte, an der Urne gezielt gegen Putins Partei «Einiges Russland» zu stimmen.
Die Schlagzeile der Zeitung fasst zusammen was das Wahlergebnis in Moskau bedeutet: Die bisherigen Methoden des Kremls zum Erhalt des eigenen Machtmonopols haben sich überlebt.
Unangenehme Zeiten brechen an
Auch wenn die Regierungspartei nach wie vor die Mehrheit aller Sitze im Parlament für sich in Anspruch nehmen kann, so ist der Verlust von 13 Sitzen für eine Partei, die fast uneingeschränkt auf staatliche Ressourcen zugreifen kann, eine schwere Niederlage.
Unangenehm dürften vor allem vier neue Amtsträger der liberalen Oppositionspartei «Jabloko» werden, wie etwa die 28-jährige Daria Besedina. Auf Twitter kündigte sie nach ihrem Wahlsieg an, während der ersten Sitzung des Parlaments dessen Auflösung zu fordern. Denn von fairen Wahlen könne keine Rede sein, ist Besedina überzeugt, da fast alle anderen Kandidaten der Opposition im Vorfeld ausgeschlossen worden seien.
Eine Mehrheit wird Besedina nicht hinter sich versammeln können, dennoch kann «Einiges Russland» die demokratische Konkurrenz nicht vollständig ignorieren.
Ein Resultat mit Signalwirkung
Über das gesamte Land gesehen hat sich «Einiges Russland» am gestrigen Wahltag in den meisten Positionen halten können. Doch die Schlappe der Regierungspartei in Moskau wird in allen Regionen Russlands wahrgenommen.
Der Parteivorsitzende, Dmitri Medwedew, mag sich nach aussen unbeeindruckt zeigen mit den Worten: «Die Partei bleibt die führende politische Kraft». Doch eine Partei, deren Ruf so schlecht ist, dass kein einziger Kandidat sich getraut hat unter dem Logo der Partei in der Hauptstadt zur Wahl anzutreten, ist nicht einmal mehr eine Hülle ihrer selbst.
Das Resultat an Moskaus Urnen zeigt nicht in erster Linie die grosse Zustimmung der Bevölkerung für die Opposition, sondern die Schwäche der Regierungspartei und ihrer Führung.
Angeschlagen vor dem grössten Rennen
Hinter den Kulissen dürften die Berater von Präsident Putin die Wahlresultate mit Sorge mitverfolgt haben. Wenn der Regierung nicht ein kleines Wirtschaftswunder gelingt, stehen die Aussichten für die Parlamentswahlen auf nationaler Ebene in zwei Jahren schlecht.
Der Unmut liess sich bei der gestrigen Wahl von der Opposition in der Hauptstadt wirkungsvoll kanalisieren, doch wirklich schlecht ist die Stimmung fern der Hauptstadt. Oppositionsparteien, die der Kreml dort bis anhin kontrollierte, dürften die Morgenluft aus Moskau wittern.