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Porträt-Aufnahme eines Mannes mit Brille
Legende: Franco Battel ist Korrespondent von Radio SRF in Italien. Er lebt in Rom. srf

Rentenalter 67 in Italien Länger leben bedeutet auch länger arbeiten

Rente erst ab 67: Italien passt das Pensionsalter konsequent der Lebenserwartung an. Anders ist die staatliche Rente nicht mehr zu finanzieren.

SRF News: Das Rentenalter in Italien liegt derzeit bei etwas über 66 Jahren. Warum steigt es ab 2019 auf 67 Jahre?

Franco Battel: Italien hat sein Rentensystem in den letzten Jahren von Grund auf umgebaut. Dabei wurde vor allem beschlossen, das Pensionsalter strikte mit der Lebenserwartung zu koppeln. Je länger die Italienerinnen und Italiener also leben, desto später können sie in Rente gehen. Deshalb, so der aktuelle Beschluss der Regierung, soll das Rentenalter ab 2019 für alle um fast ein Jahr auf 67 Jahre heraufgesetzt werden.

Die Erhöhung des Rentenalters erschwert vielen Jungen den Einstieg ins Erwerbsleben.

Wie umstritten ist die Verknüpfung des Rentenalters mit der Lebenserwartung in Italien?

Als im Jahr 2011 die politische Diskussion darüber geführt wurde, war dies sehr umstritten. Die Systemänderung wurde denn auch nicht von einer Regierung durchgesetzt, die aus Wahlen hervorgegangen war, sondern es war eine Technokraten-Regierung. Sie war nach dem Sturz von Ministerpräsident Silvio Berlusconi eingesetzt worden und musste innert kürzester Zeit den Staatshaushalt sanieren. Nur dank dieser Voraussetzung gelang es, die Änderung innert kürzester Zeit durchs Parlament zu bringen.

Vier ältere Personen sitzen auf einer Bank mit dem Rücken zur Kamera und blicken auf einen See.
Legende: Sie müssen nicht länger arbeiten: Rentner blicken auf den Gardasee. Keystone

Italien leidet unter hoher Arbeitslosigkeit, vor allem die Jungen finden nur schwer eine Stelle. Hat es überhaupt genügend Arbeit für die älteren Leute?

Nein. Das ist tatsächlich ein riesiges Problem. Die Heraufsetzung des Rentenalters könnte unter dem Strich die Altersarmut in Italien vergrössern. Das ist nicht das einzige Problem: Unter den jungen Italienern ist die Arbeitslosigkeit besonders hoch. Und wenn nun die Älteren länger arbeiten müssen, erschwert man vielen Jungen den Einstieg ins Erwerbsleben oder schiebt diesen zumindest weiter hinaus.

Ein Verzicht auf die Rentenalter-Erhöhung hätte in den nächsten Jahren Milliardenlöcher im Staatshaushalt zur Folge gehabt.

Stichwort Altersarmut: Wie gut sind Rentner abgesichert? Gibt es in Italien auch eine Art zweite Säule, wie wir das in der Schweiz kennen?

Ja, das gibt es. Dabei zahlen Arbeitnehmer jeden Monat einen gewissen Teil ihres Einkommens auf ein Sperrkonto ein, den Betrag können sie von den Steuern absetzen. Allerdings ist es bei einem Stellenwechsel möglich, dieses Konto aufzulösen und das Geld schon vor der Pensionierung zu beziehen. Das haben während der nun schon Jahre dauernden Wirtschaftskrise in Italien viele Arbeitnehmer getan. Deshalb werden viele ältere Angestellte allein mit der staatlichen Rente auskommen müssen.

Gibt es angesichts der Probleme, die ein stetig steigendes Rentenalter nach sich zieht, Widerstand dagegen?

Ja. Zunächst wollte die amtierende Regierung von Ministerpräsident Paolo Gentiloni wegen des Wahltermins im nächsten Frühling vorerst auf eine Erhöhung auf 67 verzichten. Doch da dies in den nächsten Jahren Milliardenlöcher im Staatshaushalt zur Folge gehabt hätte, ging sie doch darauf ein. Jetzt haben sich die Gewerkschaften eingeschaltet. Sie wollen zumindest Erleichterungen für besonders aufreibende Berufe wie etwa die Maurer, erreichen. Am Prinzip der Anpassung des Rentenalters an die Lebensdauer wird aus den dargelegten finanziellen Gründen jedoch kaum gerüttelt.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

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