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Repression in Russland Grauer Freitag in Moskau

Vier Jahre Gefängnis. So viel hatte der Staatsanwalt für Egor Zhukow gefordert. Der bleiche Student sei ein Extremist, so der Vorwurf. Sein «Verbrechen»: Er hatte in Youtube-Videos heftig den Kreml kritisiert und zu gewaltfreiem Widerstand aufgerufen. Dafür vier Jahre Gefängnis?

Die liberale Moskauer Öffentlichkeit war alarmiert. Zhukow wurde zu einem Symbol für die brutale Repression der russischen Regierung. Viele rechneten damit, dass der Videoblogger für die geforderten vier Jahre im Gefängnis verschwindet. Da heute noch andere Urteile gegen Oppositionelle erwartet wurden, befürchteten viele einen «schwarzen Freitag».

Dann die überraschende Nachricht: Zhukow muss nicht ins Gefängnis. Das Gericht hat ihn zwar für schuldig befunden und zu drei Jahren Haft verurteilt, diese Strafe aber auf Bewährung ausgesetzt. Auch gegen zwei andere Angeklagte – sie sollen bei Demonstrationen Gewalt gegen Polizisten angewendet haben – urteilten russische Gerichte heute milder als erwartet. Der eine bekommt eine Busse statt Gefängnis, der andere muss ein Jahr in Haft statt wie von der Anklage geforderten dreieinhalb Jahre.

Repression in Dosen

Mit anderen Worten: Der befürchtete «schwarze Freitag» ist zu einem «grauen Freitag» geworden. Und da die Justiz in Russland nicht wirklich unabhängig ist, kann man diese – relativ – milden Urteile politisch deuten. Der Kreml sendet den kritisch eingestellten Bürgerinnen und Bürgern ein Signal: «Wir sind nicht so böse, wie ihr denkt.»

Die heutigen Urteile zeigen, dass die russische Repressionsmaschinerie nicht wie ein Mähdrescher einfach alle platt macht, die sich ihr in den Weg stellen. Sie ist beweglich, flexibel. Manchmal zeigt sie Härte, dann wieder Milde. Repression ist für den russischen Staat nicht Selbstzweck. Sie wird dosiert angewendet – als Mittel, um die herrschende Elite an der Macht und die Opposition klein zu halten.

Schwarze Tage stehen vor der Tür

Bemerkenswert ist auch, dass die Staatsmacht auf Proteste offenbar reagiert. Seit Monaten setzten sich einfache Bürger, Journalisten und Kulturschaffende für angeklagte Oppositionelle ein. Dass Egor Zhukow heute als freier Mann aus dem Gericht gehen konnte, dürfte auch mit diesem Druck aus der Gesellschaft zu tun haben.

Auf ein Tauwetter sollten Russlands Kremlkritiker dennoch nicht hoffen. Denn zahlreiche Oppositionelle sitzen noch in Haft, mehrere weitere warten auf ihr Urteil. Heute waren die Richter milde, es war ein grauer Freitag. Es können aber auch bald wieder schwarze Tage kommen.

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