Die Fans von Roter Stern Belgrad sind berühmt für ihre lautstarke Unterstützung und ihre hohe Gewaltbereitschaft. Die YB-Spieler dürfte heute Abend ein volles und lautes Stadion erwarten.
Während sich die Fangruppen in Westeuropa oft betont unpolitisch geben, identifizieren sich viele Fankurven Südosteuropas mit nationalistischen Positionen, die in Gesängen und Choreografien zur Schau gestellt werden.
Hegemonie im Stadion
Abweichende Meinungsäusserungen werden nicht geduldet. Die vorgegebenen Positionen der Kurve werden den anderen Zuschauern im Stadion aufgezwungen, notfalls mit Gewalt – auch bei Roter Stern. Im Juli sorgte eine Choreografie der Delije, den organisierten Fans des Clubs, international für Aufsehen. Vor dem Hintergrund der serbischen Trikolore füllte ein Panzer die gesamte Kurve. Darunter stand eine explizite Drohung als Schriftzug: «Wenn die Armee nach Kosovo zurückkehrt.»
Die Gründe für diesen offenen Nationalismus und die Gewaltbereitschaft in den Stadien Südosteuropas liegen in der Vergangenheit. In den 1980er Jahren bildeten sich europaweit die heutigen Fussballgruppierungen. In Jugoslawien war das eine Zeit des Umbruchs: politisch, ökonomisch, aber auch gesellschaftlich. «In einer Phase eines aufkommenden Nationalismus formieren sich Fussballfangruppen, wie wir sie heute verstehen», sagt Dario Brentin, Experte für Sport und Politik auf dem Balkan.
Die Stadien lieferten Kämpfer für die Kriege
In den darauffolgenden Zerfallskriegen werden die Fankurven der grossen Vereine des ehemaligen Jugoslawiens zu Rekrutierungsorten. So auch bei Roter Stern Belgrad: Aus den Reihen der Delije bilden sich, im Auftrag des Geheimdienstes, paramilitärische Einheiten mit Verbindungen in die organisierte Kriminalität. Diese Einheiten sind in Bosnien und Kroatien für zahllose schwere Kriegsverbrechen verantwortlich.
Die damals entstandenen Verbindungen sind bis heute aktiv. «Diese engen Verbindungen zwischen Fussballfans, der organisierten Kriminalität und der Staatssicherheitsspitze ist sicherlich in keinem anderen Land Südosteuropas vorzufinden», sagt Brentin. Er bezeichnet dies als Unikum des serbischen Fussballs.
Viele Fussballfans sind neben der Tribüne auch in kriminellen Geschäften aktiv. Sie mischen etwa im Drogenhandel mit. Die Politik lässt sie dabei gewähren und spannt die Fans dafür gelegentlich für eigene Zwecke ein. Im Stil paramilitärischer Einheiten greifen die Hooligans dann unliebsame Demonstranten an oder schüchtern politische Gegnerinnen ein, zum Beispiel an der Europride in Belgrad vor einem Jahr.
Vorteile für beide Seiten
So profitieren beide Seiten von der Situation: Die Fans können in Ruhe ihre Geschäfte abwickeln und die Politik hat durch die Fans einen zusätzlichen Machtfaktor. Allerdings geschehe diese Zusammenarbeit nur punktuell, betont Brentin. Da sich vieles im Verborgenen abspiele, lasse sich nur schwer abschätzen, wie eng die Beziehungen tatsächlich sind. Daher sei es auch schwierig, zu beurteilen, wie viel Macht die Fans effektiv haben.
Klar ist: In den Stadien geben sie den Ton an. Darunter leidet nicht zuletzt der serbische Fussball. Im Ligaalltag bleiben die Stadien vielfach leer. Dabei begeistern sich in Serbien viele Menschen für Fussball. Und viele haben weder mit den politischen noch kriminellen Machenschaften etwas zu tun.