Was für ein Schauspiel! Anfang Woche hat Sébastien Lecornu seinen Rücktritt bekannt gegeben, am selben Tag hat ihn Emmanuel Macron zurückgepfiffen und ihm eine letzte Mission gegeben von 48 Stunden.
Und am Freitagabend nominiert ihn der französische Präsident erneut zum Premierminister. Wie konnte es nur dazu kommen?
Macrons Wahl nur gut auf dem Papier
Der ehemalige Verteidigungsminister ist bekannt als guter Verhandler, der mit allen Parteien sprechen kann. Er hat politisches Gespür und bringt sogar Erfahrung als Stadtpräsident mit. Auf dem Papier eine äusserst gute Wahl für die Herkulesaufgabe, Frankreich in der aktuellen Situation zu regieren.
Sehr schwer verständlich ist allerdings, dass Emmanuel Macron nach drei gescheiterten Premierministern des Mitte-rechts-Lagers erneut in die gleiche Kiste greift und einen engen Vertrauten zum Premierminister ernennt.
Macron sträubt sich gegen links
Es scheint, als wolle der französische Präsident so weitermachen wie bisher. Obwohl seine Partei bei den Parlamentswahlen massiv Sitze eingebüsst hat, obwohl die Parlamentarier und die Bevölkerung nach einem Bruch schreien mit seiner Politik. Und obwohl mittlerweile sogar Kader seiner Partei Renaissance einen Neuanfang fordern und die Hand nach links ausstrecken.
Es kristallisiert sich immer klarer heraus: Der französische Staatspräsident hat panische Angst vor links. Im vergangenen Sommer hat er keine linke Regierung eingesetzt, obwohl die linke Allianz am meisten Stimmen in der Nationalversammlung hatte.
Jetzt, wo die Sozialisten mit der populistischen Partei La France Insoumise von Jean-Luc Mélenchon gebrochen haben, rechnet Macron vor, dass eine links-grüne Regierung auf rund 19 Stimmen weniger kommt in der Nationalversammlung als Mitte-rechts. Beide sind aber weit entfernt von einer Mehrheit im Parlament.
Macrons Motivation: Machterhalt
Spätestens nach dem Aus von drei Mitte-rechts-Regierungen müsste doch auch dem Staatspräsidenten klar geworden sein, dass seine Rechnung nicht aufgeht. Und dass, anstatt immer das Gleiche zu probieren und ein anderes Resultat zu erwarten, ein anderer Weg möglicherweise ein anderes Resultat hervorrufen könnte.
Macron geht es am Ende aber nicht um Arithmetik. Ihm geht es um Machterhalt und um seine politische Bilanz. Wenn eine sozialistische Regierung seine Wirtschaftspolitik infrage stellt oder es schaffen würde, Macrons Rentenreform zu kippen, dann ist sein politisches Erbe ruiniert.
Darum will er weiter die Fäden in der Hand behalten und vom Élysée-Palast dafür sorgen, dass seine Politik weitergeführt wird. Somit weigert sich der französische Staatspräsident aber – wie viele französische Politiker aktuell – das Interesse des Landes über sein eigenes zu stellen.