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Russische Diamantenindustrie «Diese Sanktionen sehen scharf aus, sind aber nichts wert»

Die Ausweitung der Sanktionen gegen das russische Diamantenförderunternehmen Alrosa laufen laut Fachleuten ins Leere. Das habe damit zu tun, dass russische Steine irgendwann gar nicht mehr als solche erkennbar seien.

Wegen des Krieges in der Ukraine hatten die USA und die EU schon im März ein Importverbot gegen russische Diamanten verhängt. Weil das nicht viel bewirkt hat, gehen die USA jetzt einen Schritt weiter und sanktionieren das weltweit grösste Diamantenförderunternehmen Alrosa. Es gehört zu zwei Dritteln dem russischen Staat.

So wichtig ist Russland für den Diamantmarkt

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Russland ist mit einem Marktanteil von mehr als 30 Prozent der wichtigste Lieferant von Rohdiamanten weltweit. Gefördert und verkauft werden die allermeisten Steine über die Firma Alrosa. Sie machte zuletzt einen Umsatz von umgerechnet gut 4 Milliarden Dollar und gehört grösstenteils dem russischen Staat. Diamanten sind auch für die russische Wirtschaft wichtig. Sie trugen im letzten Jahr umgerechnet 4.5 Milliarden Dollar zu den Exporterlösen bei. Wertmässig gehören die schönen und umstrittenen Edelsteine damit zu den Top-10-Exportgütern von Russland, wenn man Energieexporte ausklammert.

Zu Rohdiamanten aus Russland hat die Diamantexpertin Cristina Villegas eine klare Meinung: «Es gibt keinen Zweifel. Diamanten aus Russland sind Konflikt- und Blutdiamanten», sagte die Direktorin des Minenprogramms bei der US-Nichtregierungsorganisation Pact. «Diese Diamanten finanzieren die russische Regierung und finanzieren auch Kriegsgüter, die jetzt in der Ukraine eingesetzt werden.»

Die Diamantexpertin weiss aber auch, dass ihre Definition zwar zutreffen mag, von der Branche aber nicht akzeptiert wird. Blut- und Konfliktdiamant sind Begriffe aus den 90er-Jahren. Damals wurden mit illegal geschürften Diamanten in Afrika wie beispielsweise in Sierra Leone eine Reihe von Rebellenaufstände gegen Regierungen finanziert.

Branche uneinig über Begriff und Definition

Seit 20 Jahren brauchen Diamanten, die im Verdacht stehen, Bürgerkriege zu finanzieren, daher einen Herkunftsnachweis von der Mine bis zum Steinschleifer. Ohne eine entsprechende Urkunde dürfen sie nicht gehandelt werden. Das hat der Kimberley-Prozess so festgelegt. Das ist eine freiwillige Vereinbarung von Staaten, die verhindern soll, dass mit Diamanten Bürgerkriege finanziert werden.

Martin Rapaport ist ein israelischer Händler und einflussreicher Marktbeobachter und sagt: «Blutdiamanten sind Diamanten, die mit Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang gebracht werden. Dazu gehören Folter, Vergewaltigung, Mord, Sklaverei.» Konfliktdiamanten seien solche, mit denen gemäss Definition des Kimberley-Prozesses Rebellenaufstände gegen Regierungen finanziert würden, sagt Rapaport.

Im Ukraine-Krieg kämpfe eine Regierung gegen eine andere. Russische Diamanten seien daher höchstens Sanktionsdiamanten. Diese enge Definition macht einen grossen Unterschied. Denn die meisten russischen Rohdiamanten werden in Indien geschliffen, einem wichtigen Zentrum des globalen Diamantmarktes.

Aus russischem wird indischer Stein

«Die USA importieren quasi keine russischen Rohdiamanten, sondern vor allem geschliffene Steine aus Indien», sagt Diamanthändler Muff. Sobald die russischen Rohdiamanten aber in Indien geschliffen sind, werden sie als indische Diamanten weiterverkauft und fallen nicht mehr unter die westlichen Sanktionen.

Deshalb lehnen Schweizer Händler Boykott ab

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«Durch den Schliff in Indien wird auch die Herkunftskette, die eigentlich durch den Kimberley-Prozess dokumentiert wird, unterbrochen», sagt der Schweizer Diamanthändler Walter Muff. Zumindest bei den vielen kleineren Steinen, die einen grossen Teile der Rohdiamanten ausmachen.

Nur die indische Schleiferei weiss dann noch, ob ein Stein aus Russland oder dem südlichen Afrika stammt. Danach verliert sich die Spur in der Regel. «Darum bringen die Sanktionen eigentlich nichts für die Moral», sagt Muff zum Importverbot für russische Diamanten. Aus dem gleichen Grund würde ein Boykott russischer Steine durch Schweizer Fachgeschäfte ins Leere laufen.

Dass sich die Spur nach Russland verliert, sobald russische Diamanten in Indien geschliffen werden, ist auch der Grund, warum die Sanktionen der USA und der EU von Mitte März nach Einschätzung von Branchenexperten bisher weitgehend ins Leere laufen. Diese zielen nur auf den direkten Import russischen Diamanten in die USA oder EU.

«Diese Sanktionen sehen also nur gross aus, sind aber nichts wert», meint Marktkenner Martin Rapaport. «Sie sind eigentlich nutzlos.» Ein ähnliches Schicksal könnte auch den neuen US-Sanktionen drohen, die gerade erlassen worden sind. Die USA verweigern dem russischen Diamantförderer Alrosa damit den Zugang zum US-Finanzsystem. Doch Alrosa kann seine Rohdiamanten weiter ungehindert nach Indien verkaufen.

Denn in Indien, das traditionell eng mit Russland verbunden ist, gibt es keine Sanktionen gegen Russland. Einem noch unbestätigten indischen Medienbericht zufolge werden die Käufe zudem in Euro über deutsche Banken abgewickelt, um die Sanktionen zu umgehen. Gut möglich also, dass auch die neuen US-Sanktionen schärfer aussehen, als sie tatsächlich sind.

 

Rendez-vous, 08.04.2022, 12:30 Uhr

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