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Russland und der Westen «Putin hilft die Angst, die er in Europa verbreitet»

Am Montag ebnete Ungarn den Weg für die Aufnahme Schwedens in die Nato. In der Nacht auf Dienstag sagte der französische Präsident Emmanuel Macron, die Entsendung westlicher Bodentruppen in die Ukraine könne nicht ausgeschlossen werden. Zumal die Ukraine militärisch unter Druck ist. Was bedeutet all das für das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen? Droht ein Krieg mit der Nato? Sebastian Ramspeck, der internationale Korrespondent von SRF, analysiert.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

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Wie ist die aktuelle Bedrohungslage für Europa durch Russland?

In den kommenden Jahren ist ein Krieg zwischen Russland und der Nato unwahrscheinlich. Der russische Präsident Wladimir Putin hat im Ukraine-Krieg zurzeit militärisch die Oberhand und dürfte sich darauf konzentrieren, dort weitere Erfolge zu erzielen. Zugleich wäre Russland für eine zweite Front wohl doch viel zu schwach. Eine Entsendung westlicher Bodentruppen in die Ukraine könnte die Lage verändern.

Zumindest in den nächsten Monaten ist eine solche aber so gut wie ausgeschlossen. Ich gehe davon aus, dass Macron mit seiner Aussage versuchen wollte, Zweifel an der Unter­stützungs­bereit­schaft des Westens gegenüber der Ukraine auszuräumen. Die meisten Nato-Staaten, darunter die USA, haben dann aber umgehend betont, dass sie weiter nicht gedenken, Bodentruppen in die Ukraine zu senden.

Welche Rolle spielt die Nato?

Militärisch wird die Nato mit dem Beitritt Schwedens stärker. Denn Schweden verfügt über eher kleine, aber schlagkräftige Streitkräfte. Gleichzeitig sorgt Donald Trump, der gute Chancen hat, nächster amerikanischer Präsident zu werden, für Verunsicherung. Weil er im Wahlkampf Zweifel sät, ob die USA unter seiner Führung im Falle eines russischen Angriffs allen anderen Nato-Staaten beistehen würden.

Auch wenn solche Aussagen vielleicht nicht mehr sind als Wahlkampfgeplänkel: In Zeiten wie diesen nehmen sie nicht alle auf die leichte Schulter. Zumal es Warnungen vieler Nato-Regierungen gibt, Putin könnte in einigen Jahren tatsächlich versucht sein, die Nato herauszufordern mit einer Militäraktion gegen einen ihrer Mitgliedstaaten. Um zu schauen, was wirklich passieren würde, wenn russische Truppen ein kleines Stück Nato-Gebiet besetzen. Würden die USA, Deutschland und Frankreich wirklich zum Gegenangriff übergehen? Oder käme es in der Nato zum Streit über die angemessene Reaktion?

Wie geht es weiter?

Wenn es der Ukraine nicht gelingt, die russischen Vorstösse zu stoppen, wenn die ukrainische Widerstandskraft noch mehr ins Wanken gerät, wird der Westen nicht um äusserst unangenehme Fragen herumkommen: Frieden mit Russland schliessen, also Putins illegalen Krieg mit dem Abtreten ukrainischer Gebiete belohnen? Und ihn dadurch möglicherweise ermuntern, weitere Ländern anzugreifen? Oder Russland stoppen – was vielleicht nur mit eigenen Truppen gelingen kann?

Wie gesagt, die Entsendung westlicher Bodentruppen ist unwahrscheinlich – aber ausschliessen würde ich sie nicht. Zumal die «rote Linie» immer wieder verschoben wurde. Es hiess einmal, man wolle nur leichte Waffen in die Ukraine schicken, dann kamen schwere Waffen hinzu, dann wurden Kampfjets versprochen. So betrachtet, wären westliche Bodentruppen bloss ein weiterer Schritt. Aber eben doch ein gewaltiger: Erstmals stünden russische und Nato-Truppen einander direkt in einem Krieg gegenüber. Niemand weiss, wie Putin darauf reagieren würde. Viele fürchten sich davor. Und genau das ist sein Kalkül: Ihm hilft die Angst, die er in Europa verbreitet.

10vor10, 26. Februar 2024, 21:50 Uhr ; 

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