Das weltpolitische Klima ist derzeit rau, Konfrontation steht oftmals vor Kooperation. Das zeigte sich auch an der einwöchigen Jahrestagung der Internationalen Saatgut-Konvention Ende November in Lima. Das Hauptziel wurde nicht erreicht, nämlich den Zugang zum Saatgut von Nutzpflanzen neu zu regeln und die Profite daraus gerecht zu verteilen. Eine Bilanz mit Alwin Kopse, der nach zwei Jahren den Schweizer Vorsitz des Lenkungsorgans weitergibt.
SRF News: Was ist Ihr Fazit von der jüngsten Jahrestagung im Peru?
Alwin Kopse: Wir haben in wichtigen Bereichen Fortschritte erzielt. So konnten wir eine Strategie und einen Aktionsplan für die Rechte der Bäuerinnen und Bauern verabschieden. Ebenso wurde die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Vielfalt der Kulturpflanzen gestärkt und die Unterstützung der Entwicklungsländer verbessert.
Heute können Saatguthersteller mit bestimmten digitalen Gensequenzen arbeiten und brauchen gar nicht mehr das ganze Saatgutmaterial.
In einem zentralen Punkt, dem Zugang zum Nutzpflanzen-Saatgut für die Saatgutunternehmen und bei der Entschädigung, gibt es keine Einigung. Woran lag das?
Zum einen konnten wir uns nicht darauf einigen, ob der Zugang zu allen Nutzpflanzen ermöglicht werden solle oder nur zu einer beschränkten Anzahl. Auch beim Thema Digitalisierung gab es keinen Konsens. Heute können Saatguthersteller mit bestimmten digitalen Gensequenzen arbeiten und brauchen gar nicht mehr das ganze Saatgutmaterial; damit müssen wir noch einen Umgang finden. Und dann wirkte sich wahrscheinlich auch die geopolitische Grosswetterlage aus.
Inwiefern spielte die Grosswetterlage eine Rolle?
Multilaterale Lösungsansätze sind heute weniger populär. Es wird wieder mehr innerhalb der eigenen Grenzen gedacht. Das ist problematisch, weil die Länder voneinander abhängig sind bei der Züchtung von Nutzpflanzen, die zum Beispiel an den Klimawandel angepasst sind oder mit Schädlingen oder Krankheiten umgehen können.
Die Erwartungen der Industrie und der NGOs über die Höhe der Entschädigungen lagen nicht so weit auseinander, als dass man sich nicht hätte finden können.
Die Länder des Südens und die Indigenen erhofften sich bessere Entschädigung durch die Saatgut-Multis, die von den Züchtungen der Bauern profitieren. Wie wichtig war dieser Punkt?
Das hat erstaunlicherweise weniger eine Rolle gespielt. Die Erwartungen der Industrie und der NGOs über die Höhe der Entschädigungen lagen nicht so weit auseinander, als dass man sich nicht hätte finden können.
Was wurde in den zwei Jahren unter Ihrem Vorsitz erreicht?
Das Fazit ist insgesamt positiv. Es ist uns gelungen, das Netzwerk zu erweitern. Wir haben mit den indigenen Gemeinschaften und mit der Zivilgesellschaft, mit lokalen Bauern und Bäuerinnen eine intensivere Beziehung aufgebaut, wie auch mit der Industrie. Hier konnten wir das Bewusstsein fördern für die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit.
China hingegen ist in der letzten Phase der Ratifikation, und wir erwarten, dass der Beitrittsprozess in den nächsten Jahren abgeschlossen sein wird.
Gibt es auch Schritte auf die unbeteiligten Länder zu – China, Russland und die Ukraine?
Russland und die Ukraine haben momentan keine Absicht, beizutreten. China hingegen ist in der letzten Phase der Ratifikation, und wir erwarten, dass der Beitrittsprozess in den nächsten Jahren abgeschlossen sein wird. Wenn China mit seinem grossen geopolitischen Einfluss und als eines der wichtigsten grossen Agrarhandelsländer tatsächlich beitritt, werden wir eine grosse Lücke schliessen können.
Das Gespräch führte Klaus Bonanomi.