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Säbelrasseln im Atomstreit «Japan kommen Raketentests gerade recht»

Provokation oder Kalkül? Was steckt hinter den Tests und warum spielen sie Tokio in die Karten? Eine Einschätzung von Radio-Korrespondent Martin Fritz aus Tokio.

SRF News: Die nordkoreanischen Raketentests gehen weiter. Was steckt dahinter?

Martin Fritz: Der Test jetzt könnte gegen das grosse Militärmanöver von USA und Südkorea gerichtet sein. Es könnte auch eine Geste dahingehend sein, dass sich Nordkorea den verschärften Wirtschaftssanktionen der internationalen Gemeinschaft nicht beugen will. Aber vielleicht ahnen die Nordkoreaner, dass sie wegen der Sanktionen irgendwann verhandeln müssen und wollen bis dahin mit ihrem Raketenprogramm möglichst grosse Fortschritte erreichen.

Und die Reaktion aus Südkorea?

Eigentlich ist Präsident Moon Jae In ein liberaler Politiker, der auf Gespräche mit dem Norden setzt. Aber er weiss auch, dass er ab und an Stärke zeigen muss, um ernst genommen zu werden. Deshalb hat er die Streitkräfte einen sogenannten Enthauptungsschlag führen lassen, bei dem Kampfjets in der Nähe der innerkoreanischen Grenze Bomben abgeworfen haben. Das simulierte Ziel war dabei die nordkoreanische Führung.

Japans Premier Abe will gern die Verfassung ändern und den pazifistischen Charakter einschränken.
Autor: Martin Fritz Radio-Korrespondent in Japan

Japans Präsident Abe sprach von einer ernsthaften Bedrohung.

Ja, die japanische Regierung nimmt die Bedrohung durch nordkoreanische Raketen sehr ernst. Aber das Ganze geschieht nicht nur aus Fürsorglichkeit der eigenen Bevölkerung gegenüber, sondern weil Japans Premier Abe gern die Verfassung ändern und den pazifistischen Charakter einschränken will. Ihm kommen die Raketentests deshalb gerade recht, obwohl Nordkorea Japan bisher nicht direkt bedroht hat.

Dennoch wurde japanisches Territorium überflogen.

Bisher hat Nordkorea immer darauf geachtet, dass die Raketen bei einem Test über das Japanische Meer zwischen den beiden Ländern gefallen sind. Diesmal ist sie allerdings über Japan hinweg geflogen. Das hat es zwar schon früher gegeben, aber zum Beispiel 2009 hatte Nordkorea ein zeitliches Fenster für den Start angegeben.

Diesmal gab es aber gar keine Warnung. Allerdings wurde der nördlichste Zipfel Japans auch in 550 Kilometern Höhe überflogen.

Internationale Fluglinien – darunter auch die Swiss – haben ihre Flugrouten in Richtung Japan geändert.
Autor: Martin Fritz Radio-Korrespondent in Japan

Gibt es weitere Reaktionen auf die jüngsten Raketentests?

Internationale Fluglinien – darunter auch die Swiss – haben ihre Flugrouten in Richtung Japan geändert. Sie umfliegen den nordkoreanischen Luftraum jetzt weiträumig, damit sie nicht zufällig von einer startenden Rakete getroffen werden. Aber wenn Nordkorea jetzt seine Raketen bis weit in den Pazifik hineinfliegen lässt, dann sind zumindest auch andere Gebiete, die von Passagierflugzeugen genutzt werden, gefährdet.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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