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Saudi-Arabien gegen Iran «Bin Salman will Macht im eigenen Land und in der ganzen Region»

Ein Experte nennt die alten und neuen Konfliktherde und erklärt, was den neuen starken Mann in Saudi-Arabien treibt.

SRF News: Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman hat in den letzten Wochen auf verschiedenen Ebenen seinen Machtanspruch geltend gemacht, gerade auch in Richtung des Iran. Wie ist das zu verstehen?

Toby Matthiesen: Diese Rivalität hat Ähnlichkeiten mit jener im kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion. In vielen Ländern der Dritten Welt war dieser kalte Krieg in Wahrheit ein heisser Krieg. Im Moment haben wir verschiedene Länder, in denen der Konflikt heiss ist: zum Beispiel Syrien und Jemen. In diesen Konfliktregionen hat sich die Lage in letzter Zeit verschlechtert.

Zudem haben wir eine Situation, in der sich die USA wieder sehr stark gegen Iran positionieren. Trump und dessen Regierung haben sehr enge Beziehungen zu Saudi-Arabien und Kronprinz Mohammed bin Salman, der sich in der Region als neues Machtzentrum positionieren will. Gleichzeitig entsteht eine neue Allianz zwischen den Saudis und Israelis, die auf einen neuen Friedensprozess hinzielt. Alle haben gemeinsam, dass sie gegen den Iran vorgehen möchten. All dies sind Entwicklungen, die gefährlich sind.

Dieser neue starke Mann in Saudi-Arabien, bin Salman, möchte das Land als neuen Leader in der arabischen Welt etablieren. Was genau schwebt ihm vor?

Bin Salman möchte zunächst einmal seine Machtbasis im eigenen Land konsolidieren. Dazu braucht er die Aussenpolitik, und eine Machtpolitik in der Region, um sich vor der eigenen Bevölkerung zu legitimieren.

Bin Salman möchte die religiöse Legitimierung durch einen saudischen Nationalismus ersetzen.
Autor: Toby Matthiesen Experte für Golfstaaten

Gleichzeitig möchte er, dass alle anderen arabischen Staaten mehr oder weniger nach der saudischen Pfeife tanzen. Und das alles ist ausgerichtet in einer anti-iranischen Politik. Schliesslich möchte er den saudischen Nationalismus als neue kollektive Identität im Land schaffen, um damit die bisherige religiöse Legitimation des Königshauses damit zu ersetzen. Sehr viele Dinge auf einmal.

Haben Sie eine Erklärung dafür, was den saudischen Kronprinzen derart selbstbewusst auftreten und durchgreifen lässt?

Zur Person

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Der Schweizer Toy Matthiesen forscht an der Universität Oxford zu den Golfstaaten. Er hat verschieden Bücher dazu publiziert.

Es herrscht ein Machtkampf. Bin Salman hat aber an der Seite seines Vaters gelernt, wie er mit den Spannungen zwischen den verschiedenen Fraktionen innerhalb der Familie umgehen soll. Und es wurden ihm in den letzten Jahren kaum je Steine in den Weg gelegt. Er ist erst Anfang dreissig, kontrolliert fast die gesamte Wirtschaft des Landes, alle militärischen Organisationen, alle wichtigen Ministerien. Alles. Und das ist eine unglaubliche Veränderung gegenüber einem Staat, der vorher eher gekennzeichnet war durch Institutionen, die gegeneinander operiert haben.

Saudi-Arabien wird von verschiedenen Seiten kritisiert. Der deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel bezeichnete die Aussenpolitik des Landes als «Abenteuertum».

Die Deutschen sind im Moment einer der wenigen grösseren westlichen Staaten, die es wagen, Saudi-Arabien und die Golfstaaten zu kritisieren. Deutschland strebt zudem eine Versöhnung zwischen den verschiedenen Staaten in der Region an. Dafür werden sie aber von Saudi-Arabien sehr hart kritisiert.

Und nun wurde sogar der saudische Botschafter in Berlin abgezogen.

Das zeigt, dass es ein Land momentan sehr schwierig hat, das wagt zwischen allen Fronten zu stehen und nicht einseitig Position zu beziehen. Dass Deutschland versucht hat, in der Katar-Krise eine Vermittlerrolle einzunehmen, wurde von den Saudis und den Emiratis, die hinter dieser Isolation Katars stehen, als persönlicher Affront gesehen. Gleichzeitig will Deutschland einen Ausgleich zwischen Saudi-Arabien und Iran bewerkstelligen – was im Gegensatz zur saudischen Aussenpolitik steht.

Der Iran hat sich mit dem Niedergang des Islamischen Staats (IS) im Irak, Syrien, Libanon deutlich stärker in der Region positionieren können. Ist die Sorge der Saudis gegenüber dem Iran berechtigt?

In Syrien haben die Saudis die syrische Opposition unterstützt und jetzt mehr oder weniger verloren. Die Iraner haben das Regime unterstützt und haben jetzt «gewonnen». Daher sind die Saudis unzufrieden mit der Situation.

Es sieht so aus, dass die Iraner stärker aus diesem Konflikt hervorgehen.
Autor: Toby Matthiesen Experte für Golfstaaten

Es sieht so aus, dass die Iraner stärker aus diesem Konflikt hervorgehen. Dasselbe ist im Jemen-Krieg passiert, wo die Saudis intervenierten. Bis heute weiss man nicht, was dort das Resultat sein soll. Der Krieg dauert jetzt schon beinahe drei Jahre, ist eine der grössten humanitären Katastrophen auf der Welt, und es war einfach eine kurzfristige Entscheidung der neuen Führung in Saudi-Arabien.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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