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«Den typischen Amokläufer gibt es nicht»
Aus 10 vor 10 vom 03.10.2017.
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Schiesserei in Las Vegas «Die meisten Täter haben irgendeine Form von Rechtfertigung»

Was geht im Kopf eines Mörders vor, der auf Unbekannte schiesst? Antworten eines der führenden Schweizer Amoklauf-Experten.

Waffen, das ist ein greifbares Thema: Verkauf, Bauweise, Munition – alles lässt sich definieren, und damit diskutieren. Schwieriger sieht es mit der Frage aus, was im Kopf eines Mörders vorgeht, wenn er auf Unbekannte schiesst – oder wenn er wochenlang kaltblütig eine Tat plant, die die Welt entsetzt.

Die umgangssprachlich gängigen Begriffe für solche Taten griffen jedenfalls zu kurz, sagen Experten wie der führende Schweizer Kriminal-Psychologe und Amoklauf-Experte Jérôme Endrass. «Austicken», «durchdrehen», «Amok laufen» erweckten einen falschen Eindruck von dem, was im Kopf eines Attentäters vorgeht.

Fast alle sogenannten Amoktäter haben ihre Taten minutiös vorbereitet.

Viel hat mit der Persönlichkeit zu tun

Denn der Begriff Amok setze schon voraus, dass jemand auf Leute losgehe, ohne sich vorbereitet zu haben. Das sei jedoch so gut wie nie der fall, sagt der Professor für forensische Psychologie. «Fast alle sogenannten Amoktäter haben ihre Taten minutiös vorbereitet. Da gab es vorher meist viel Kopfkino», sagt Endrass. Viel habe dabei mit der Persönlichkeit des Täters zu tun.

Die meisten Täter haben irgendeine Form von Rechtfertigung.

Vom Attentäter in Las Vegas weiss man, dass er bereits vier Tage vor der Tat im Hotel eingecheckt hatte. Unzählige Gewehre hat er in sein Hotelzimmer mitgebracht. Den typischen Amokläufer, den es nicht. Im Gegenteil: Es gebe wenige Täter, die sich wirklich gleichen, sagt Endrass. Wenn man sich die Delikte genau anschaue, merke man dass oft sehr individuelle Gründe zur Tat führten. «Das bedeutet auch, dass man nicht sagen kann: Wenn jemand diese oder jene Aufälligkeit hat, dann ist er gefährlich».

Ohne Rechtfertigung geht es nicht

Man müsse sich die Einzelfälle genau ansehen. Es sei immer eine Kombination aus Merkmalen, die es ausmache. Beim einen sei es eine ausgeprägte Faszination für Waffen mit gleichzeitigem Narzissum, also einer «starken Kränkbarkeit» und einer stark impulsiven Persönlichkeit. «Bei einem anderen kann es dann wieder eine ganz andere Kombination von Merkmalen sein», so Endrass.

Es gibt Fälle, bei denen man eine Chance gehabt hätte, vorher zu intervenieren.

Eines hätten viele Attentäter allerdings gemeinsam. «Die meisten Täter haben irgendeine Form von Rechtfertigung.» Etwa eine völlig abstruse Privatideologie, oder eine offizielle Ideologie, wie etwa Rechtsradikalismus oder Salafismus. «Die wenigsten machen etwas, ohne, dass sie es für sich rechtfertigen oder begründen können», erklärt Endrass.

«Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit»

Beim Anschlag auf einen Homosexuellen-Club kommen in Orlando, Florida 49 Menschen ums Leben. Der Täter soll einen Hass auf Schwule gehabt haben. Beim Anschlag auf ein Ferienlager mit Jugendlichen sterben in Utoya, Norwegen 69 Menschen. Beim Täter stiessen die Ermittler auf rechtsradikales Gedankengut. Beim Anschlag auf das Kantonsparlament in Zug sterben 14 Menschen. Der Attentäter hatte einen Hass auf die Behörden. Bleibt der Gesellschaft nichts anderes übrig, als solches hinzunehmem?

Es sei klar, dass es in einem Rechtstaat keine hundertprozentige Sicherheit gebe, sagt Endrass. «Es wird immer den Fall geben, in dem ein Mensch ohne Vorwarnung auf andere losgeht und man tatsächlich nichts mehr machen kann.» Aber es gebe nicht wenig Fälle, in denen man im Nachhinein merke, hier hätte man eine Chance gehabt, zu intervenieren.

Jérome Endrass entwickelt derzeit ein Diagnostik-Instrument, das der Zürcher Kantonspolizei helfen soll, die Gefährlichkeit von Menschen zu erkennen, zumindest von denen, die auffällig werden – zum Beispiel durch Drohungen.

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