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Schlag gegen freie Presse «Wir werden uns nicht selbst zensieren»

Yücels Verhaftung ist ein Warnschuss an alle Medien: Kritische Berichterstattung ist nicht erwünscht im Staate Erdogan. Journalistin Luise Sammann will sich nicht einschüchtern lassen.

Luise Sammann

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Die Journalistin Luise Sammann lebt und arbeitet seit 2009 in der Türkei und berichtet von dort für deutsche Medien über das Land sowie den Nahen Osten. Auch bei Radio SRF ist sie immer wieder zu hören.

SRF News: Sind Sie überrascht von der Entscheidung des Haftrichters?

Luise Sammann: Es ist insofern überraschend, als man immer dachte, dass die türkische Justiz nicht so weit gehen würde, einen deutschen Korrespondenten einzusperren. Allerdings haben drei türkische Journalisten an dem gleichen Thema gearbeitet, für das Deniz Yücel in Polizeigewahrsam genommen wurde. Besagte Journalisten sitzen seit längerem im Gefängnis. Insofern ist es eigentlich nur folgerichtig, dass Yücel in Untersuchungshaft gesteckt wurde. Sein deutscher Pass hat ihn offensichtlich nicht schützen können.

Was wird Yücel konkret vorgeworfen?

Im Amtsjargon wird ihm Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung vorgeworfen. Fast täglich wird der Vorwurf der Terrorpropaganda bemüht, wenn Kritiker der Regierung zum Schweigen gebracht werden sollen. Bei Yücel geht es insbesondere um einen Bericht, den er im vergangenen Jahr veröffentlicht hat. Dabei geht es um einen Hacker-Angriff auf das E-Mail-Konto des türkischen Energieministers. Und dieser ist, wie es es der Zufall will, der Schwiegersohn von Erdogan. Vor allem hat Yücel veröffentlicht, was die Hacker angaben, in den Mails gelesen zu haben. Weil die Hacker als Terroristen gelten, wird Yücel nun Propaganda für eine Terrororganisation vorgeworfen.

Heisst das auch, dass Yücel nicht nur neutraler Beobachter war, sondern sich auch politisch engagiert hat?

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Verschliesst man nicht die Augen vor vielem Unrecht, wenn man sich in der heutigen Türkei absolut neutral verhält? Auf jeden Fall ist Yücel ein sehr engagierter und mutiger Journalist. Sicherlich hat er auch gerne provoziert. Ein Beispiel ist eine Medienkonferenz der deutschen Kanzlerin bei einem Besuch in Ankara. Yücel fragte offen, vor laufenden Kameras: «Frau Merkel, in diesem Land sitzen Journalisten im Gefängnis. Warum sagen Sie dazu nichts?»

Solche Fälle sind ein Warnschuss an alle Journalisten: Erinnert euch daran, wer in diesem Land das Sagen hat.

Ich denke, er wusste, worauf er sich bei den Geschichten, die er zuletzt recherchiert hat, eingelassen hat. In einem Haftprotokoll, das er seinem Anwalt diktiert hat, erlebt man nun einen sehr nachdenklichen Deniz Yücel. Man kann nur hoffen, dass ihn die Haft nicht brechen wird. Man konnte das schon bei anderen Verhafteten sehen, etwa bei der Schrifstellerin Aslı Erdoğan. Sie ist seit ihrer vorläufigen Entlassung völlig am Ende, sie wurde in der Untersuchungshaft gebrochen.

Yücel ist der erste Journalist, der in der Türkei in Haft sitzt und einen deutschen Pass besitzt. Was bedeutet der Fall für die ausländischen Berichterstatter in der Türkei?

Man muss immer wieder betonen, dass dem Doppelbürger Yücel sein türkischer Pass zum Verhängnis wurde. Andere ausländische Journalisten wurden in der Vergangenheit einfach aus der Türkei ausgewiesen, wenn sie nicht mehr erwünscht waren. Das Schicksal ist etwa einer niederländischen Kollegin widerfahren, die sich zu sehr in den Kurdenkonflikt eingearbeitet hat. Es gibt rote Linien, bei denen man vorsichtig agieren muss. Auf der anderen Seite sind wir hier, weil wir berichten und unsere Arbeit machen wollen. Wer sich durch so etwas vollkommen einschüchtern lässt, ist besser beraten, das Land zu verlassen. Niemand wird sich nun selbst zensieren. Solche Fälle sind ein aber Warnschuss an alle Journalisten: Erinnert euch daran, wer in diesem Land das Sagen hat.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

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