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Schlimme Zustände in Europa Konzern aus China beutet vietnamesische Arbeiter in Serbien aus

500 Vietnamesen bauen in Serbien für einen chinesischen Investor eine riesige Firma – unter Schwerstarbeit, grausamen Bedingungen und für miserablen Lohn.

Es sieht aus wie ein Stall für Tiere, aber es ist eine grosse Gemeinschaftsdusche, mit hässlichen Flecken an den Wänden und einem dreckigen Boden. Weiter Unterkünfte mit extrem eng aneinander stehenden Etagenbetten und schlecht gekleidete Männer, die frieren. Diese Bilder zeigte vor kurzem die einzige Fernsehanstalt in Serbien, die nicht von der Regierung kontrolliert wird.

Aufgedeckt hat den Fall der 500 ausgebeuteten Vietnamesen die Journalistin Ivana Gordic. «Sie stehen barfuss in Plastikbadelatschen. In diesen waten sie durch die Fäkalien, die aus verstopften WC-Schüsseln quellen», erzählt Gordic in dem Fernsehbericht. 

Sechs Männer tragen barfuss Badeschlappen.
Legende: Die Arbeiter frieren in den ungeheizten Räumen, sagt Ivana Gordic. Keystone

Einer der vietnamesischen Arbeiter beklagt sich darüber, dass man ihn und seine Kollegen betrogen hat. «Nichts ist so, wie es in den Dokumenten stand, die wir in Vietnam unterschrieben haben. Ich bin seit vier Monaten hier und habe erst einen Monatslohn ausbezahlt bekommen. Die haben mir den Pass und mein Visum weggenommen. Ich kann weder die Stelle wechseln noch nach Hause zurückkehren.» 

Sie haben mir den Pass und mein Visum weggenommen. Ich kann weder die Stelle wechseln noch nach Hause zurückkehren.
Autor: Vietnamesischer Arbeiter in Serbien

Allen Arbeitern, die in dem Camp von Journalisten befragt werden konnten, ging es gleich. Damit handle es sich um ein Schulbeispiel von Menschenhandel, sagten Rechtsexperten. Die 500 vietnamesischen Arbeiter bauen in Zrenjanin im Norden Serbiens ein riesiges neues Autoreifenwerk für den chinesischen Linglong Konzern. 

Vietnamesische Arbeiter arbeiten an einem Autoreifenwerk.
Legende: In Zrenjanin arbeiten die Vietnamesen am Autoreifenwerk – unter schwersten Bedingungen. Keystone

Diese Grossinvestition von rund 900 Millionen Dollar ist ein Vorzeigeprojekt von Präsident Vucic. Dieser gibt sich in Brüssel und Berlin zwar als Pro-Europäer, zu Hause aber schimpft er auf die EU und bindet sich immer mehr an China. Für ihn bauen die Chinesen eine Schnellbahnstrecke, verkabeln Belgrad mit Überwachungskameras und ihnen hat er zwei Industrieriesen verkauft. 

Eine riesige Stahlbaufirma steht hinter kleinen Häuschen.
Legende: Serbien hat China zwei Industrieriesen verkauft: Das Stahlwerk in Smederevo und in Bor, eine der grössten Kupferminen Europas. Reuters

Die Kritik an der Ausbeutung vietnamesischer Arbeiter auf der Grossbaustelle von Linglong sei nichts anderes als ein politischer Angriff auf die Zusammenarbeit mit China, sagte Regierungschefin Ana Brnabic. Natürlich habe man es besonders auf die chinesischen Investitionen in Serbien abgesehen. Die Kritik sei politisch motiviert.

Bedenken der EU

Tatsächlich macht sich die EU Sorgen, weil China seinen Einfluss auf dem Balkan verstärkt. Regierungsgegner in Serbien kritisieren in letzter Zeit immer wieder das Verhalten chinesischer Investoren. Es gab viele Klagen, dass die Chinesen die serbischen Umweltvorschriften grob und ungestraft verletzen. 

Menschen mit Plakaten in den Händen protestieren auf der Strasse.
Legende: Ebenfalls Kritik an westlichen Investoren: Gerade in den letzten Wochen gab es grosse Proteste gegen ein Megaprojekt des britisch-australischen Rio Tinto Konzerns, der in Serbien Lithium abbauen will. Reuters

Die Kritik zieht vor allem auf die einheimischen Machthaber ab, die den ausländischen Investoren weitgehend freie Hand lassen. Der Vorwurf: Die Machthaber profitieren selbst bei den Deals mit den Investoren. Als Gegenleistung schauen sie weg, wenn Umwelt und Arbeitsrecht verletzt werden.

Präsident Vucic dreht den Spiess um. Nicht ihm sei das Schicksal der ausgebeuteten Arbeiter egal, sondern der Opposition, der es nur darum gehe, seine erfolgreiche Industriepolitik zu sabotieren. «Dass ihr euch Sorgen um die vietnamesischen Arbeiter macht? Hey Leute, ich kenne euch. Mir könnt ihr nichts vormachen», sagte Vucic verächtlich.

Schuldbekenntnis der Regierung

Trotzdem kam vonseiten der Regierung bald einmal eine Art indirektes Schuldeingeständnis. Nachdem die Bilder aus dem Camp der Vietnamesen an die Öffentlichkeit gekommen waren, wurden diese schleunigst umquartiert. Einige davon sogar in ein schickes Hotel. Auch die Pässe wurden ihnen wieder ausgehändigt. Darüber berichteten die vielen Medien, die Vucic aus der Hand fressen. Vorher hatten sie geschwiegen.

Echo der Zeit, 04.01.2022, 18:30 Uhr

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