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Scholz in Kanada Deswegen könnte Kanada zu Europas neuem Energielieferanten werden

Kanada gilt als rohstoff- und energiereiches Land. Ausserdem ist Kanada bisher politisch stabil. Das Land ist also, wenn es um Energie- und Wirtschaftskooperation geht, ein zuverlässiger, langfristiger Partner Europas und Deutschlands. Um diese Themen geht es auch bei Olaf Scholz' Besuch in Kanada. Gerd Braune, freier Journalist in Kanada, ordnet für SRF News ein.

Gerd Braune

Journalist in Kanada

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Braune lebt seit rund 20 Jahren in der kanadischen Hauptstadt Ottawa. Er berichtet für mehrere Medien in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg.

SRF News: Kanada exportiert als einer der grössten Erdgasproduzenten der Welt bisher nur in die USA und nach Ostasien. Weshalb gibt es bislang keine direkten Lieferungen nach Europa?

Gerd Braune: Das Erdgasvorkommen gibt es vor allem in den westlichen Provinzen Kanadas. Es ist viel einfacher, wenn man dort die notwendige Infrastruktur hat, also Pipelines und Terminals, Erdgas zu verarbeiten und nach Asien zu verschiffen.

Die Europäer hatten bislang eigentlich wenig Interesse an kanadischem Erdgas.

Man muss auch sehen, dass die Europäer bislang eigentlich wenig Interesse an kanadischem Erdgas hatten. Sie hatten vor allem die Lieferungen aus Russland. Es fehlt in Kanada also die Infrastruktur, um direkt nach Europa zu liefern.

Ist es denn überhaupt realistisch, dass Kanada in absehbarer Zukunft Erdgas nach Europa exportiert?

In den nächsten ein, zwei Jahren ist da kurzfristig wahrscheinlich nichts zu machen. Kanada diskutiert darüber, ob diese Anlage umgewandelt und erweitert werden kann, um auch Erdgas nach Europa zu exportieren. Das wird allerdings auch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Kanada liefert sehr viel Erdgas in die USA, und das wiederum ermöglicht den USA, Erdgas nach Europa zu exportieren. Von dem Erdgas, das aus den USA jetzt nach Europa fliesst, kommt sicherlich auch ein Teil aus Kanada.

Kanada hat sich verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu sein. Ein Ausbau der Gasexporte steht dem im Wege. Wie geht die Regierung mit diesem Widerspruch um?

Das ist das grosse Problem für Premierminister Justin Trudeaus liberale Regierung. Einerseits will man in der Klimapolitik vorankommen und den CO₂-Ausstoss, der in Kanada sehr hoch ist, reduzieren. Andererseits lebt die Volkswirtschaft in Kanada bisher auch von der Produktion und Förderung fossiler Brennstoffe.

Kanada will in der Klimapolitik vorankommen, gleichzeitig lebt die Volkswirtschaft von der Produktion und Förderung fossiler Brennstoffe.

Umweltverbände sagen, dass das der kanadischen Klimapolitik widerspricht. Aber die kanadische Regierung will dem europäischen Partner helfen und nimmt das in Kauf.

Die europäischen Länder, allen voran Deutschland, wollen jetzt Gas und suchen vor allem nach kurzfristigen Lösungen. Lohnen sich da die grossen Investitionen für Kanada überhaupt?

Die USA haben in den letzten Jahren etliche Terminals an der Ostküste gebaut und exportieren jetzt nach Europa. Kanada will da mit seinem Energiereichtum nachziehen. Sicherlich sind die Perspektiven so, dass sich zum Beispiel Deutschland in etwa 20 Jahren auch von fossilen Brennstoffen gelöst haben will. Aber ob es dazu kommt, ist erstens unsicher und zweitens sind es ja auch andere Länder in Europa, die vielleicht nicht ganz so ehrgeizige Ziele haben. Dann ist es für Kanada interessant, diese Anlage zu haben.

Deutschland ist in Kanada nicht nur kurzfristig an Erdgas interessiert.

Das zweite wichtige Thema auf dieser Kanzler-Reise: die Wasserstoff-Wirtschaft. Hier wird natürlich auch daran gedacht, ob man diese Anlagen für den Flüssigerdgasexport bauen wird, kann man die dann langfristig in Exportterminals für Wasserstoff umrüsten? Also ich glaube nicht, dass diese Überlegungen, dass Deutschland nur kurzfristig an Erdgas interessiert ist, diese Investitionen verhindert, sondern dass man auch in Richtung Wasserstoff umdenken kann und will. Auch dazu dient dieser Besuch von Bundeskanzler Scholz in Kanada.

Das Gespräch führte Janis Fahrländer.

HeuteMorgen, 22.08.2022, 6 Uhr ; 

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