Was tut ein abgewählter oder gescheiterter europäischer Spitzenpolitiker, der auch künftig nicht auf ein Leben im Luxus verzichten will? Genau – er nimmt einen lukrativen Posten in der Wirtschaft an. Eine schier unerschöpfliche Menge solcher Posten hält die russische Wirtschaft bereit. Jüngster Nutzniesser eines solchen Mandats ist der ehemalige französische Premier François Fillon.
Fillon war während des Präsidentenwahlkampfs 2017 tief gefallen. Enthüllungen über die Annahme teurer Geschenke und über die Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau bereiteten der Karriere des langjährigen konservativen Politikers ein abruptes Ende.
Freundschaft zu Putin zahlt sich aus
Fillon war schon damals bekannt für seine russlandfreundliche Position. Er sprach sich für eine Allianz mit Russland aus, kritisierte die Nato-Osterweiterung – und er gilt sogar als persönlicher Freund von Kreml-Chef Wladimir Putin, den er während seiner Jahre als französischer Premierminister schätzen lernte, offenbar auch beim Billard in Putins Residenz in Sotschi.
Und so überrascht es nicht, dass Fillon nun einen Sitz im Verwaltungsrat des grössten russischen Petrochemie-Konzerns Sibur erhalten hat, der von Kreml-nahen Oligarchen kontrolliert wird. Seit Sommer sitzt Fillon bereits im Verwaltungsrat der staatlichen russischen Ölgesellschaft Zarubezhneft.
Damit tritt Fillon in die Fusstapfen des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, auch er ein Freund Putins. Schröder war es, der noch im Amt die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 aufgleiste und der als Aufsichtsratsvorsitzender des russischen Staatskonzerns Rosneft tätig ist. Und der, nicht überraschend, die russische Regierung immer wieder gegen Kritik verteidigt.
«Schröderisierung» als strategische Korruption
Oder da ist die frühere österreichische Aussenministerin Karin Kneissl, die an ihrer Hochzeit mit Putin tanzte – auch sie hat einen lukrativen Posten bei einem russischen Energiekonzern. Wie übrigens auch der ehemalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Die Liste ist lang.
Kritiker nennen dies strategische Korruption – oder auch «Schröderisierung» – russisch «Shrederisazija». Durch die Einbindung von europäischer Politprominenz erhält der russische Staat Zugriff auf deren umfangreiches politisches und wirtschaftliches Netzwerk . Das dürfte hilfreich sein, wenn es um die politische Meinungsbildung in Europa in Sachen Russland geht, oder sogar um Sanktionen – besonders jetzt, wo die Lage um die Ukraine äusserst angespannt ist.
Wie hat's der «Werte-Westen» mit der Moral?
Der Kreml sendet ausserdem das Zeichen, dass Europas Politik käuflich ist, und dass die Werte, die der Westen hochhält, in Tat und Wahrheit Heuchelei sind. Doch sind abgehalfterte Figuren wie Kneissl und der wegen Korruption verurteilte Fillon ihren Preis wert? Das fragen sich viele in Russland. Doch das ist offenbar nicht das wichtigste Kriterium für Präsident Putin.
Er belohnt Loyalität und baut sein Netzwerk in Europa stetig aus. Und er sendet den europäischen Politikern und Politikerinnen ein Signal, das präventiv wirkt, wie Beobachter bemerken. Das Signal ist: Seht her, wenn Ihr Euch im Sinne des Kremls verhaltet, dann winkt auch Euch einmal ein lukrativer Posten.
Ob sich diese Strategie für den Kreml wirklich auszahlt, bleibt offen. Politiker wie François Fillon hingegen profitieren sehr wohl: Fillon wird sich in nächster Zeit kaum mehr den Kopf zerbrechen müssen darüber, wie er seinen Lebensstil bezahlen kann.