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Schweres Los für Laotinnen Verkauft als Arbeitstier und Gebärmaschine

In China fehlen Millionen Frauen im heiratsfähigen Alter. Viele chinesische Männer kaufen sich deshalb eine Frau – etwa in Laos.

Ein paar Küken picken im Staub, eine Mutter wiegt ihr Neugeborenes im Arm. An einer Hauswand lehnt eine alte Frau und spricht mit sich selbst. Das kleine Dorf im Norden von Laos liegt nur ein paar Autostunden von der chinesischen Grenze entfernt.

Dort, in einer chinesischen Stadt deren Namen er nicht kenne, lebe seit zehn Monaten seine Schwester, erzählt der 19-jährige Niütschen. Vor einem Jahr seien Chinesen mit einem laotischen Übersetzer ins Dorf gekommen. «Sie suchten Frauen, zum Heiraten.»

Die Chinesen suchten eine Frau zum Heiraten.
Autor: Niütschen (19) Bruder der nach China verkauften Yeng

Die Chinesen hätten seiner Familie umgerechnet rund 4400 Franken versprochen, wenn einer von ihnen seine 24-jährige Schwester Yeng zur Frau haben könne. «Der Mann sagte, er werde Yeng lieben und er habe Geld.» Yeng habe eingewilligt. «Zwei Monate später kamen die Männer mit einem Pass zurück und nahmen Yeng mit.»

Ein Motorrad, ein paar Schweine – und eine Frau

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Mit dem Brautgeld kauften sich die Eltern von Yeng ein Motorrad, eine Reismühle, ein paar Schweine und für 700 Franken Nisa, die Frau für ihren Sohn Niütschen. Die Neuvermählten gehören – wie das ganze Dorf – dem Bergvolk der Hmong an, einer ethnischen Minderheit in Laos. In ihrer Kultur ist traditionell immer Brautgeld gezahlt worden.

«Es ist nicht gut für unsere Kultur, dass unsere Töchter an Chinesen verkauft werden und weit weg gehen», sagt eine Nachbarin. Man wisse nicht, ob sie dort sicher seien und was mit ihnen passiere. «All das geschieht nur des Geldes wegen», so die Alte. Armut sei der Hauptgrund dafür, dass ungefähr zwanzig Familien in diesem kleinen Dorf ihre Töchter inzwischen an Chinesen verkauft hätten.

Das Problem wird immer grösser

Niemand weiss, wie viele laotische Frauen in den vergangenen Jahren nach China verkauft wurden. Doch das Problem, das vor wenigen Jahren begann, sei gross und werde immer grösser, sagt Jürgen Thomas. Er ist Direktor von Alliance Anti Trafic, einer NGO, die in den vergangenen Jahren 36 laotische und burmesische Frauen aus China gerettet hat.

Wenn eine Frau nicht schwanger wird, wird sie weiterverkauft.
Autor: Jürgen Thomas Direktor der NGO Alliance Anti Trafic

Vielen Frauen würden in China die Pässe weggenommen, sagt er. Sie müssten bis zu 18 Stunden im Familienbetrieb arbeiten, würden geschlagen und müssten Kinder kriegen. «Wird eine Frau in den ersten sechs Monaten nicht schwanger, wird sie weiterverkauft», sagt Thomas. Manche Frauen würden für alle Männer in der Familie als Sexsklavinnen gehalten.

Frau mit Kind auf dem Rücken.
Legende: Immer mehr Chinesen kaufen sich eine Frau in Laos. Dies ist nur dank der dortigen Armut möglich. Reuters

Daneben gebe es auch glückliche Beziehungen zwischen Laotinnen und Chinesen, doch das sei die Ausnahme. Zu isoliert seien die Frauen in ihrem neuen Heimatland, zu fremd, unvorbereitet und ungeschützt.

Die Frauen informieren

Deshalb machen Alliance Anti Trafic und andere NGOs Informationsveranstaltungen für Frauen in den Dörfern von Laos. Sie erzählen ihnen von den Gefahren und erklären ihnen, wie wichtig es ist, Kopien von Dokumenten und die Adresse in China mit ihren Hinterbliebenen zu teilen. Nur so könnten diese im Notfall Hilfe holen.

Die laotische Regierung ist sich des wachsenden Problems bewusst und hat inzwischen ihre Grenzkontrollen verschärft, ihre Aufklärungskampagnen ausgeweitet und jenen hohe Strafen angedroht, die ihre Töchter verkaufen.

Yeng nach drei Monaten schon geschieden

Auch Niütschen weiss, dass es illegal war, seine Schwester Yeng zu verkaufen. Doch er betont, Yeng habe der Hochzeit selbst zugestimmt.

Allerdings habe sie nicht gewusst, wie unglücklich sie sein werde, fügt Niütschens Frau Nisa an. Zwar habe Yeng sie anrufen können. «Doch drei Monate lang weinte sie jedes Mal am Telefon. Ihr Mann war Fahrer und hatte kein Geld, zudem war er krank und dick.»

Drei Monate nach der Hochzeit kam es zur Scheidung und Yeng heiratete einen anderen Chinesen. Ob das Yengs Entscheidung gewesen war oder ob sie weiterverkauft worden war, weiss ihr Bruder nicht. Aber er sagt, heute sei seine Schwester glücklicher und schwanger.

Vor allem im ländlichen China ein Problem

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Zwar gebe es in China Gesetze, die den Menschenhandel verböten, sagt SRF-Korrespondent Martin Aldrovandi. «Doch wie immer: Mit der Umsetzung hapert es.» Die Praxis des Frauenkaufs sei vor allem im Süden Chinas verbreitet – weit weg von Peking. Auch seien vor allem Männer in ländlichen Gebieten vom Frauenmangel in China betroffen. «Männer auf dem Land, die wenig verdienen, haben schlechte Chancen, in China eine Frau zu finden.»

Inzwischen sei China zwar von der Ein-Kind-Politik abgerückt. Trotzdem verzichteten viele Chinesen entweder ganz auf Kinder oder sie lassen es bei einem bewenden – vor allem aus finanziellen Gründen. Deshalb altere die chinesische Gesellschaft rasant – mit allen Problemen, die das für ein Entwicklungsland mit sich brächten, so Aldrovandi.

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