Ein paar Küken picken im Staub, eine Mutter wiegt ihr Neugeborenes im Arm. An einer Hauswand lehnt eine alte Frau und spricht mit sich selbst. Das kleine Dorf im Norden von Laos liegt nur ein paar Autostunden von der chinesischen Grenze entfernt.
Dort, in einer chinesischen Stadt deren Namen er nicht kenne, lebe seit zehn Monaten seine Schwester, erzählt der 19-jährige Niütschen. Vor einem Jahr seien Chinesen mit einem laotischen Übersetzer ins Dorf gekommen. «Sie suchten Frauen, zum Heiraten.»
Die Chinesen suchten eine Frau zum Heiraten.
Die Chinesen hätten seiner Familie umgerechnet rund 4400 Franken versprochen, wenn einer von ihnen seine 24-jährige Schwester Yeng zur Frau haben könne. «Der Mann sagte, er werde Yeng lieben und er habe Geld.» Yeng habe eingewilligt. «Zwei Monate später kamen die Männer mit einem Pass zurück und nahmen Yeng mit.»
«Es ist nicht gut für unsere Kultur, dass unsere Töchter an Chinesen verkauft werden und weit weg gehen», sagt eine Nachbarin. Man wisse nicht, ob sie dort sicher seien und was mit ihnen passiere. «All das geschieht nur des Geldes wegen», so die Alte. Armut sei der Hauptgrund dafür, dass ungefähr zwanzig Familien in diesem kleinen Dorf ihre Töchter inzwischen an Chinesen verkauft hätten.
Das Problem wird immer grösser
Niemand weiss, wie viele laotische Frauen in den vergangenen Jahren nach China verkauft wurden. Doch das Problem, das vor wenigen Jahren begann, sei gross und werde immer grösser, sagt Jürgen Thomas. Er ist Direktor von Alliance Anti Trafic, einer NGO, die in den vergangenen Jahren 36 laotische und burmesische Frauen aus China gerettet hat.
Wenn eine Frau nicht schwanger wird, wird sie weiterverkauft.
Vielen Frauen würden in China die Pässe weggenommen, sagt er. Sie müssten bis zu 18 Stunden im Familienbetrieb arbeiten, würden geschlagen und müssten Kinder kriegen. «Wird eine Frau in den ersten sechs Monaten nicht schwanger, wird sie weiterverkauft», sagt Thomas. Manche Frauen würden für alle Männer in der Familie als Sexsklavinnen gehalten.
Daneben gebe es auch glückliche Beziehungen zwischen Laotinnen und Chinesen, doch das sei die Ausnahme. Zu isoliert seien die Frauen in ihrem neuen Heimatland, zu fremd, unvorbereitet und ungeschützt.
Die Frauen informieren
Deshalb machen Alliance Anti Trafic und andere NGOs Informationsveranstaltungen für Frauen in den Dörfern von Laos. Sie erzählen ihnen von den Gefahren und erklären ihnen, wie wichtig es ist, Kopien von Dokumenten und die Adresse in China mit ihren Hinterbliebenen zu teilen. Nur so könnten diese im Notfall Hilfe holen.
Die laotische Regierung ist sich des wachsenden Problems bewusst und hat inzwischen ihre Grenzkontrollen verschärft, ihre Aufklärungskampagnen ausgeweitet und jenen hohe Strafen angedroht, die ihre Töchter verkaufen.
Yeng nach drei Monaten schon geschieden
Auch Niütschen weiss, dass es illegal war, seine Schwester Yeng zu verkaufen. Doch er betont, Yeng habe der Hochzeit selbst zugestimmt.
Allerdings habe sie nicht gewusst, wie unglücklich sie sein werde, fügt Niütschens Frau Nisa an. Zwar habe Yeng sie anrufen können. «Doch drei Monate lang weinte sie jedes Mal am Telefon. Ihr Mann war Fahrer und hatte kein Geld, zudem war er krank und dick.»
Drei Monate nach der Hochzeit kam es zur Scheidung und Yeng heiratete einen anderen Chinesen. Ob das Yengs Entscheidung gewesen war oder ob sie weiterverkauft worden war, weiss ihr Bruder nicht. Aber er sagt, heute sei seine Schwester glücklicher und schwanger.