Etwa 1.9 Millionen Seeleute halten den globalen Handel am Laufen, der grösstenteils über die Meere abgewickelt wird. Von der Schweiz aus wird laut der Branchenvereinigung Suissenégoce fast ein Viertel aller Schiffe auf den Ozeanen gesteuert. Ein Binnenland ist also Knotenpunkt für die Seefahrt.
Kaum Schweizer Seeleute
Holger Schatz ist Nationalsekretär von Nautilus International Schweiz . Die Gewerkschaft vertritt die Interessen von Seeleuten aus Grossbritannien, den Niederlanden und der Schweiz.
Obwohl von der Schweiz aus so viele Frachtschiffe gelenkt werden und die weltgrösste Containerreederei MSC in Genf ihren Hauptsitz haben, gebe es kaum noch hiesige Seeleute, sagt Schatz: «In der Regel stammen sie aus dem asiatischen Raum, von den Philippinen, aus Indonesien oder China. Es gibt aber auch viele aus der Ukraine oder Russland.» Das seien traditionelle Seefahrtnationen mit entsprechendem Arbeitskräftepotenzial.
Schaut man sich die Arbeitsbedingungen der Seeleute an, verwundert es nicht, dass kaum Schweizerinnen und Schweizer anheuern: 24-Stunden-Schichtbetrieb, monatelange Abwesenheiten von zu Hause und enge Platzverhältnisse dominieren den Alltag.
Durchgetaktet und riskant
Um die Hafengebühren zu senken, liegen zwischen dem An- und Ablegen eines Frachters heute nur noch wenige Stunden. Für Sightseeing oder ein entspanntes Bier bleibt keine Zeit.
Hinzu kommt, dass der Job Risiken birgt: Piraterie auf hoher See zum Beispiel. Krankheiten, die sich auf dem Schiff ausbreiten können. Aber auch die Unfallgefahr an Bord ist nicht zu unterschätzen, ebenso wie Lärmbelastung, Schlafmangel und chemische Dämpfe.
Das alles zu einem Gehalt, das weit weg ist vom Schweizer Mindestlohn.
Im Schnitt verdienen Seeleute um 1500 Dollar (1300 Schweizer Franken) monatlich, Kapitäne und Kapitäninnen 6000 bis 8000 Dollar. Letztere tragen sehr viel Verantwortung für das Schiff, die Ladung und die Menschen auf hoher See.
Wenn es vor Ort keine Akteure gibt, die ein Interesse daran haben, den Menschen zu helfen, dann kümmert sich halt niemand.
Schweizer Arbeitsrecht lässt sich nur auf Schiffen durchsetzen, die unter Schweizer Flagge fahren, erklärt der Nautilus-Gewerkschafter. Dies sind heute aber gerade mal noch 14 Frachtschiffe von zwei Reedereien – und keines davon ist MSC.
Arbeiten auf dem Frachtschiff
Zahlreiche Handelsschiffe weltweit fahren unter sogenannten Offshoreflaggen. Länder, die kaum Bezug zur Schifffahrt hätten, erläutert Schatz: «Wenn es vor Ort keine Akteure gibt, die ein Interesse daran haben, den Menschen zu helfen, sondern vor allem dafür angestellt sind, um Gebühren einzutreiben, dann kümmert sich niemand.»
Schweizer Flagge als Vorzeigebeispiel
Auf Schiffen unter Schweizer Flagge würden die Grundrechte eingehalten. Ein Weg, um die Arbeitsbedingungen der Seeleute zu verbessern, wäre laut Schatz, mehr Frachter unter Schweizer Flagge zu bringen. Eine Vorlage, die im Schweizer Parlament hängig ist, könnte hier andocken: Mit der Idee, dass Reedereien von Steuererleichterungen profitieren, sofern sie sich an soziale und ökologische Auflagen halten.
Nautilus und der Schweizer Seereedereiverband würden die sogenannte Tonnagesteuer unterstützen, wenn sie an Auflagen gebunden wird. Ob sie wirklich etwas bewirken würde, oder ob in erster Linie Reedereien und Konzerne mit Schiffsflotten weniger Steuern bezahlen müssten, ist umstritten.