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Senatsmehrheit für Demokraten Wahlleugner abgestraft

Die Nachricht löste bei den Demokraten Jubelstürme aus: Als in der Nacht auf heute die Wiederwahl der demokratischen Senatorin Catherine Cortez Masto feststand, war klar, dass die Partei von US-Präsident Joe Biden ihre knappe Mehrheit im Senat behalten würde.

Mit einem Sieg bei der Stichwahl in Georgia Anfang Dezember könnten die Demokraten diese Mehrheit sogar um einen Sitz ausbauen. Das gelang der Regierungspartei in den letzten 100 Jahren erst sechs Mal und verdeutlicht die Bedeutung dessen, was bei diesen Zwischenwahlen geschehen ist. Zumal der Machtkampf um das Repräsentantenhaus noch nicht entschieden ist: Auch in der zweiten Kammer besteht nach wie vor die (kleine) Möglichkeit, dass die Demokraten eine knappe Mehrheit behalten können und die Republikaner ihre Ziele somit komplett verfehlen.

 Übernahme der Wahlprozesse gescheitert

Aus Demokratie-theoretischer Sicht fast noch wichtiger als die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Kongresskammern ist, dass mit einer Ausnahme alle Wahlleugner Trump’schen Zuschnitts ihre Wahlen um einen weniger beachteten, aber umso wichtigeren Posten verloren haben: denjenigen des Secretary of State. Viele dieser republikanischen Kandidaten hatten im Wahlkampf kundgetan, Wahlrechte einschränken und den gesamten Wahlprozess gründlich überarbeiten zu wollen.

Als in der Nacht auf heute auch das Resultat dieser Secretary-of-State-Wahl in Nevada bekannt wurde, war klar: Diese geplante Übernahme der Wahlprozesse in den einzelnen Bundesstaaten durch Trump-getreue Kandidaten ist gescheitert.

Wähler sehen Demokratie in Gefahr – aber woher?

Die ersten Wahldaten zeigen ein sich deutlich abzeichnendes Bild: Die Republikaner haben vor allem dort ihre Wahlen verloren, wo sie mit von Trump empfohlenen Wahlleugnern angetreten sind, oder wo die Abtreibungsfrage direkt mittels einer Volksabstimmung oder indirekt über eine entsprechende Gouverneurs-Wahl zur Debatte stand.

An diesen Orten haben Frauen und Junge überproportional Demokraten gewählt. Das heisst, sowohl die Abtreibungsdebatte als auch die Angst um die Demokratie waren zentrale Themen dieser Wahlen. Doch dabei zeigt sich auch ein Bild, das nicht so recht zur momentanen Freudenstimmung der Demokraten passt: Woher diese Demokratie in Gefahr ist, darüber sind sich die Amerikanerinnen und Amerikaner so uneins wie zuvor.

Gefahr der Blockaden

So viel vor diesen Wahlen und überhaupt seit der Präsidentschaft Donald Trumps die Rede von den gespaltenen Staaten Amerikas war und ist, so gilt dies auch heute noch. Gemäss ersten Nachwahlbefragungen sehen nicht weniger als zwei Drittel aller Wählenden die Demokratie in Amerika in Gefahr. Doch woher diese Gefahr kommt, darüber gehen die Meinungen auseinander: Die eine Hälfte sieht die Gefahr in republikanischen Wahlleugnern und Verschwörungstheoretikern. Die andere Seite glaubt nach wie vor, dass Joe Biden die Präsidentschaftswahl 2020 unrechtmässig gewonnen hat.

Wenn nun in einem Kongress mit äusserst knappen oder gar geteilten Mehrheiten Blockaden drohen, so ist dies doppelt gefährlich. Es werden dann nicht nur dringend nötige Reformen blockiert, sondern diese Blockaden dürften auch das Vertrauen der Amerikanerinnen und Amerikaner in die politischen Prozesse und die politischen Institutionen im sowieso schon so «fernen» Washington weiter unterminieren.

Pascal Weber

USA-Korrespondent

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Pascal Weber arbeitet seit 1999 für SRF. Als Redaktor und Produzent war er zunächst in der Sportredaktion tätig, danach bei «10vor10». Von 2010 bis 2021 war er als Korrespondent im Nahen Osten. Er lebte zuerst in Tel Aviv, dann lange Jahre in Kairo und Beirut. Nun arbeitet er für SRF in Washington.

Korrektur

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In einer früheren Fassung schrieben wir, dass es seit dem 2. Weltkrieg keiner Regierungspartei gelungen sei, bei den Zwischenwahlen ihre Mehrheit auszubauen. Das stimmt so nicht. In den letzten 100 Jahren gelang dies sechs Mal. Der Text wurde der entsprechenden Stelle korrigiert.

Tagesschau, 13.11.2022, 13 Uhr

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