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Wo Fussball und Gewalt Hand in Hand gehen
Aus News-Clip vom 07.07.2018.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 47 Sekunden.
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Serbien gegen die Schweiz Rote Karte für geistige Brandstifter

Fussballspiele mit politischer Sprengkraft? Damit hat der Balkan schlechte Erfahrungen gemacht. Ein Plädoyer für den Sportsgeist.

Das Spiel wurde nie angepfiffen, aber es gilt als eine der Initialzündungen des Jugoslawienkriegs: Dynamo Zagreb gegen Roter Stern Belgrad im Maksimir Stadion am 13. Mai 1990. Hooligans beider Klubs gehen aufeinander los. Die Polizei ist völlig machtlos. Ein Jahr später war Krieg. Jugoslawien zerfiel in seine Einzelteile.

Hooligans als Kriegsfreiwillige

Er erinnert sich genau an all dies. Die Stimme des jugoslawischen Fussballs: Der legendäre Kommentator Milojko Pantić, noch immer überzeugter Jugoslawe: «Der Nationalismus hat den grossen Staat Jugoslawien zerstört. Zum ersten Mal richtig sichtbar war dies bei den Ausschreitungen im Maksimir-Stadion: Dahinter steckte die Regie der nationalistischen Strukturen.»

Politisierte Boulevard-Provokationen vor Serbien-Schweiz

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Legende: Instagram

Auch das heutige Spiel zwischen der Schweiz und Serbien birgt politische Brisanz: Mit Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Valon Behrami und Blerim Dzemaili werden voraussichtlich vier Spieler mit albanischen oder kosovarischen Wurzeln im roten Trikot auf dem Platz stehen.

Aus serbischer Sicht ins Abseits manövriert hat sich vor allem Shaqiri: auf Instagram teilte er kürzlich ein Bild von zwei Fussballschuhen, jeweils einen mit der Schweizer und der kosovarischen Flagge. Für viele Serben, die den Kosovo als unabhängigen Staat nicht anerkennen, eine Provokation.

Sowohl auf serbischer wie auch auf albanischer Seite folgten Beschimpfungen. «Der Schweizer Spieler Shaqiri begann einen Sonderkrieg gegen Serbien», schrieb das serbische Online-Portal Srbin.info. «Wir werden diesen Serben zeigen, dass die Niederlage ein Teil ihrer DNA ist», konterte das Online-Portal Albanian Soccer vor der Partie.

Unterdessen sind sowohl Xherdan Shaqiri wie auch die beiden Nationaltrainer Vladimir Petkovic und Mladen Kristajic bemüht, dem Spiel den politischen Zündstoff zu nehmen. «Viele Leute denken, dass es hier um Politik geht und erwarten viel, vor allem weil ich aus dem Kosovo stamme – aber das ist jetzt nur ein Fussballspiel und nicht mehr», zitiert das serbische Online-Portal BlicSport Shaqiri. (SRF/barf)

So waren viele der Kriegsfreiwilligen zuvor Fussball-Hooligans bei Dynamo Zagreb und Roter Stern Belgrad. Einer ihrer übelsten Anführer: Željko Ražnatović, genannt Arkan. Er ist verantwortlich für Kriegsverbrechen in Bosnien, Kroatien und Kosovo. Regelmässig liessen ihn die Fans von Roter Stern Belgrad hochleben. Kein Wunder: Arkan gehörte zum harten Kern der Hooligan-Szene des Clubs.

Partizan-Stürmerstar aus Kosovo

Der Grazer Politologieprofessor Florian Bieber hat den Nationalismus im ehemaligen Jugoslawien erforscht. In seiner Dissertation kommt er zum Schluss, der «Hooligan-Nationalismus» habe zur Verstärkung der Differenzen zwischen den Nationen Jugoslawiens beigetragen: «Die Konfrontationen, die sich in den achtziger Jahren in den Stadien angebahnt hatten, wurden jedoch auf dem Schlachtfeld ausgetragen.»

Doch es ging und geht auch anders: Stürmerstar Fadil Vokrri schoss in den achtziger Jahren Tor um Tor für Partizan Belgrad. Später gründete er den kosovarischen Fussballverband und führte diesen in die Fifa. Doch dies nehmen ihm die Fans von damals nicht übel: Als er kürzlich gestorben ist, trauerten die Belgrader mit. Ungelöster Kosovo-Konflikt hin oder her.

«Wir wollen zusammen leben»

Doch die Spannungen werden von Politikern und Medien schön weitergepflegt. So kam es 2014 beim Spiel Serbien gegen Albanien in Belgrad zu einem Zwischenfall mit einer Drohne: Ein albanischer Eiferer flog die Fahne Grossalbaniens ins Stadion. Es kam zu Tumulten. Die serbischen Hooligans skandierten: «Tod den Albanern.»

Proteste bei Spiel Serbien gegen Albanien
Legende: In der EM-Qualifikation 2014 kommt es zu Ausschreitungen zwischen serbischen Fans und der Polizei. Reuters

Doch damals wie heute entspricht dies nicht der allgemeinen Stimmung: Das zeigen Interviews mit Jugendlichen, die am 13. Mai 1990 im Maksimir-Stadion Dynamo Zagreb anfeuern wollten: «Wir wollen zusammen leben in Jugoslawien.» Denn ein Ende von Jugoslawien war für viele ein Jahr vor dem Krieg kaum vorstellbar. Umso mehr gilt in diesen Tagen: Rote Karte für geistige Brandstifter aller Art.

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