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Sexualverbrechen in Indien Brutale Tat wird zum Politikum

Acht Hindu-Männer sollen ein Mädchen vergewaltigt und ermordet haben. Viele Inder zeigen ihr Entsetzen auf der Strasse.

Ein brutaler Fall von Vergewaltigung und Mord: Im Januar ist das achtjährige muslimische Mädchen Asifa im Bundesstaat Jammu und Kaschmir entführt, unter Drogen gesetzt und fünf Tage lang von mehreren Männern vergewaltigt worden, unter anderem in einem Hindu-Tempel. Asifa wurde schliesslich gewürgt und mit einem Stein erschlagen. Jetzt müssen sich acht Angeklagte vor Gericht verantworten, darunter vier Polizisten und ein Tempelwächter. Die hinduistischen Männer sollen das Verbrechen begangen haben, um als Nomaden lebende Muslime aus einem von Hindus dominiertem Gebiet im Süden von Jammu zu vertreiben.

Proteste der Bevölkerung: Der Fall sorgt in Indien für Entsetzen und löste die grössten Proteste seit der tödlichen Gruppenvergewaltigung einer Studentin in Neu-Delhi im Jahr 2012 aus. Dies auch deshalb, weil praktisch gleichzeitig ein Vergewaltigungsfall eines Abgeordneten der Regierungspartei BJP im Bundesstaat Uttar Pradesh bekannt wurde. Es gab Kundgebungen und Mahnwachen in Delhi, Mumbai und anderen Teilen des Landes. Zwei Minister von Jammu und Kaschmir, die an einer Kundgebung zur Verteidigung der mutmasslichen Täter teilnahmen und der Partei BJP von Indiens Regierungschef Narendra Modi angehören, mussten zurücktreten.

Männer mit Fackeln führen auf der Strasse eine Menschenmenge an.
Legende: Zu Protesten der Opposition kam es in ganz Indien, wie hier etwa in Kalkutta. Reuters

Opposition macht Politik: Die politische Opposition versucht, das Verbrechen für ihre Zwecke zu auszunutzen. «Die indische Opposition in Delhi hat erkannt, dass das Thema viele Emotionen hervorruft und man damit gegen Premierminister Modi Stimmung machen kann», sagt die Journalistin Britta Petersen in Neu-Delhi. Dass es drei Monate gedauert habe, bis die Bluttat von der Bevölkerung überhaupt wahrgenommen wurde und es zu den Protesten kam, liege vor allem an der Grösse des Landes. Zudem habe es Versuche gegeben, das Verbrechen zu vertuschen.

Problemgebiet Jammu und Kaschmir: Der Fall um die ermordete Asifa verdeutlicht den ethnischen Konflikt zwischen Hindus und Muslimen: «Im indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir geht es immer um den Religionskonflikt», sagt Peterson. Das Kaschmir-Gebiet wurde nach der Unabhängigkeit Indiens und Pakistans vom britischen Empire unter beiden Staaten aufgeteilt. Unverzüglich kam es 1947 zum ersten Krieg um Kaschmir. Seither konnte der Streit zwischen den indischen Hindus und den muslimischen Pakistani nicht beigelegt werden. 1965 brach sogar ein zweiter Krieg um das Gebiet zwischen Indien und Pakistan aus. Bis heute schwelt der Konflikt, immer wieder werden blutige Anschläge verübt, es kommt zu Grenzzwischenfällen mit Schussabgaben und Todesopfern und Verletzten.

Hindu-nationalistischer Nährboden: «Seit der Machtübernahme der nationalistischen Hindu-Partei BJP 2014 hat sich das politische Klima geändert», stellt die Journalistin Petersen fest. Bestimmte Elemente dieser Partei seien der Meinung, dass die Muslime den indischen Teil Kaschmirs bald beherrschen könnten. Die dort lebenden Muslime hätten eine höhere Geburtenrate als die Hindus, werde etwa angeführt. Dies habe, zusammen mit der in Indien ohnehin sehr verbreiteten sexualisierten Gewalt gegen Mädchen und Frauen, die acht Männer wohl zu der Tat angestachelt, so Petersen.

Balanceakt für Premier Modi: Zwar hat Modi die Bluttat verurteilt und gesagt, dass «den Töchtern des Landes Gerechtigkeit widerfahren» solle. Allerdings wisse man, dass Modi in kontroversen Fällen lange zuwarte und sich erst äussere, wenn er wisse, in welche Richtung sich die Sache politisch entwickle, sagt Petersen. Auch könne sich der Premier nur in sehr begrenztem Masse von den Hindu-Nationalisten distanzieren. Zu stark sei seine Partei BJP von verschiedensten, kleineren Hindu-Organisationen in ganz Indien abhängig. Andererseits müsse sich Modi von den extremistischsten Parteien seines Bündnisses auch etwas abgrenzen, da er sonst riskiere, die Unterstützung der Nationalisten zu verlieren.

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