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Skandal um Migrationsamt So brachte sich das Bamf in die Bredouille

Das deutsche Migrationsamt soll Flüchtlinge anerkannt haben, die keinen Anspruch darauf gehabt hätten. Ein Überblick.

Was ist passiert? Der Skandal wird Ende April bekannt. Die Bremer Staatsanwaltschaft bestätigt Ermittlungen wegen eines möglichen Korruptionsskandals beim deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Es werde gegen die ehemalige Leiterin der Bamf-Aussenstelle in Bremen, gegen drei Rechtsanwälte aus Bremen und Niedersachsen sowie einen Dolmetscher ermittelt, sagte Staatsanwältin Claudia Kück. Es bestehe der unmittelbare Verdacht auf «bandenmässige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung».

Gebäude von aussen.
Legende: Die Bamf-Aussenstelle in Bremen. Keystone

Wie lauten die Vorwürfe? Die Beschuldigten werden verdächtigt, Asylantragsteller motiviert zu haben, einen Antrag bei der Bamf-Stelle in Bremen zu stellen – welche jedoch formell gar nicht für diese zuständig war. Es seien von der damaligen Leiterin dann offenbar falsche Asyl-Anerkennungsbescheide erstellt worden für Menschen, die eigentlich keinen Asylanspruch gehabt hätten. «Wir gehen von 1200 Fällen aus», sagte Staatsanwältin Kück. Überwiegend solle es sich um Jesiden gehandelt haben. Die Menschen seien gezielt aus mehreren Bundesländern nach Bremen gefahren worden.

Wer hat profitiert? Ein Dolmetscher und ein Vermittler sollen die Hand aufgehalten haben. Das geht aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen vom 3. April hervor. Demnach wird der Bremer Dolmetscher verdächtigt, von Ausländern, die ihm ein zweiter Beschuldigter vermittelte, 500 Euro dafür erhalten zu haben, dass er «falsche Angaben insbesondere zur Identität und den Einreisedaten aufnahm, beziehungsweise übersetzte». Der Vermittler soll von den Antragstellern selbst 50 Euro kassiert haben.

Wie ist reagiert worden? Innenminister Horst Seehofer hat der Bremer Aussenstelle weitere Asylentscheide vorerst komplett verboten. Er habe entschieden, dass das Ankunftszentrum ab sofort und bis zum Abschluss der Ermittlungen und Überprüfungen keine Asylentscheidungen mehr treffe, sagte Seehofer. «Das Vertrauen in die Qualität der Asylverfahren und die Integrität des Ankunftszentrums Bremen ist massiv geschädigt worden.» Asylverfahren aus Bremen werden laut Ministerium von anderen Bamf-Aussenstellen übernommen.

In Bremen soll zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen ohne ausreichende Grundlage Asyl gewährt worden sein. Gegen die damalige Bremer Bamf-Chefin und weitere Verdächtige ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Horst Seehofer.
Legende: Der deutsche Innenminister Horst Seehofer hat der Aussenstelle Bremen verboten, weitere Asylentscheide zu fällen. Keystone

Wie geht es weiter? In der Affäre um zu Unrecht bewilligte Asylanträge stehen der deutsche Innenminister Horst Seehofer und die Präsidentin des Asyl-Bundesamts, Jutta Cordt, heute vor dem Innenausschuss des Bundestags Red und Antwort. Die Parlamentarier verlangen insbesondere Aufklärung darüber, wem wann konkrete Informationen zu den Missständen vorlagen und wie darauf reagiert worden ist. Cordt, die seit Januar 2017 das Bamf führt, sieht sich dem Verdacht ausgesetzt, zu spät reagiert und frühe Hinweise auf Missstände nicht weiterverfolgt zu haben. Die SPD hält Seehofer mangelnden Aufklärungswillen vor.

Jutta Cordt.
Legende: Die Präsidentin des Asyl-Bundesamts, Jutta Cordt, muss zusammen mit Horst Seehofer Red und Antwort stehen. Keystone

Wie reagiert Angela Merkel? Innenminister Horst Seehofer hat die «volle politische Unterstützung» von Kanzlerin Angela Merkel. Die Kanzlerin verfolge sehr intensiv die Vorgänge um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), erklärte deren Sprecher Steffen Seibert. Es gehe dabei um «schwerwiegende Vorwürfe», die Merkel sehr ernst nehme. Sie unterstütze die Aufklärungsarbeit des Innenministeriums «komplett» und stehe in regelmässigem Austausch mit Seehofer.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf): Das Bamf existiert in Deutschland seit 2005. Es entstand nach einer Umstrukturierung aus der Bundesdienststelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Mit der Umstrukturierung bekam das Bamf neue Kompetenzen: Die Behörde war neu auch für die ersten Integrations- und Sprachkurse sowie für die Rückkehr abgelehnter Asylbewerber zuständig. Mit der Zunahme des Flüchtlingsstroms verschärfte sich die Situation der Bamf-Mitarbeitenden.

Logo Bamf.
Legende: Der Skandal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurde Ende April publik. Keystone

Mit der grossen Einwanderungswelle im Jahr 2015 kamen 890'000 Asylsuchende nach Deutschland. Das Bamf geriet in die Kritik, weil sich die Bearbeitung der Fälle immer weiter verzögerte. Die Bundesregierung stockte das Personal auf und lieh sich Beamte von Post, Bahn, der Bundesagentur für Arbeit oder der Bundeswehr. Ab 2013 war das Bamf nicht mehr verpflichtet, die Quote der anerkannten Asylanträge aus den Aussenstellen nach Berlin zu melden. So fielen die übermässig vielen positiven Bescheide in Bremen, aber auch anderen Aussenstellen, lange nicht auf. Inzwischen wurde die Meldepflicht wieder eingeführt.

Legende:
Asylanträge pro Bamf-Mitarbeiter Bamf / Bundestag

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