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Söldner statt Soldaten Golfarabische Streitkräfte: dienstuntauglich

Kaufen statt selber kämpfen: Die Golf-Armeen sind trotz riesiger Rüstungsausgaben und Unmengen von Söldnern schwach.

Die Golfmonarchien sind Kleinstaaten, Saudi-Arabien bestenfalls eine Mittelmacht. Doch ihre Verteidigungsausgaben sind gewaltig. Allein die Saudis geben jährlich 60 Milliarden Dollar für ihre Streitkräfte aus, die Vereinigten Arabischen Emirate 20 Milliarden.

Schlappe im Jemen

Umso mehr erstaunt, zumindest auf den ersten Blick, dass sie gegen die Houthi-Rebellen im Jemen kläglich versagten. Die Vereinigten Arabischen Emirate brachen ihren Feldzug 2019 ab. Die Saudis hoffen, dass die Houthis in ein Abkommen einwilligen, um Riad einen gesichtswahrenden Abzug zu ermöglichen. Man stehe «entschlossen an der Seite des jemenitischen Brudervolks», beteuert Kronprinz Mohammed bin Salman.

Da die Houthis de facto als Sieger des siebenjährigen Bürgerkriegs im Jemen bereits feststehen, haben sie indes wenig Anlass, Zugeständnisse für ein Friedensabkommen zu machen.

Debakel auf der ganzen Linie

Ob schmählich oder nicht – für die Saudis wäre es das Beste, sich so rasch wie möglich ebenfalls aus dem Jemen zurückzuziehen, sagt Professor Zoltan Barany von der Universität Texas in Austin. Er ist einer der besten Kenner der golfarabischen Streitkräfte. Soeben ist sein neuestes Buch «Armies of Arabia» erschienen.

Barany wundert es nicht im Geringsten, dass die Golfaraber, obschon zahlenmässig und technologisch den schiitischen Rebellen hoch überlegen, ein Debakel einfahren: «Sie hatten nie eine klare Strategie gegen die Houthis. Ihre Luftwaffen, auf die sie hauptsächlich setzten, haben versagt. Und am Boden gelang es ihnen nicht, ihre Soldaten, zumeist Söldner, wirksam einzusetzen.»

Rüstungskäufe gegen Schutzversprechen

Trotz enormer Rüstungsausgaben seien die golfarabischen Streitkräfte schwach: «Sie sind ausserstande, die Ölmonarchien über mehr als ein paar Tage vor Feinden zu schützen. Dafür verlässt man sich bis heute auf die USA und in geringerem Mass auf Grossbritannien.»

Die gewaltigen Rüstungskäufe seien im Grunde nichts anderes als eine Versicherungsprämie dafür, dass Washington und London im Notfall die reichen Ölländer heraushauten. Nach dem Prinzip: Wir kaufen eure Waffen, dafür verteidigt ihr uns. So betrachtet ist das Geld sinnvoll investiert.

Eigene Soldaten kaum zu finden

Tatsächlich können die Golfstaaten ihre Hochtechnologiewaffen gar nicht selber unterhalten und einsetzen. Es fehlen ihnen auch motivierte eigene Soldaten. Welcher wohlhabende Golfaraber will schon Militärdienst leisten?

Stattdessen – und dies seit langem – setzen die Feudalherrscher auf Söldner: aus Pakistan, Indien, Bangladesch, aus sunnitischen arabischen Ländern wie Marokko oder Jordanien, im Fall des Jemen-Feldzugs auch zunehmend aus Kolumbien, aus dem Sudan, Somalia oder Uganda.

Söldner mit Bürgerrecht

«Wie stark sie abhängig sind von Söldnern, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Sie machen aber, je nach Golfstaat, um die 80 Prozent der Truppenbestände aus», sagt Barany. Selbst in den Offiziersrängen, offiziell Staatsbürgern vorbehalten, finden sich viele Ausländer. Man verleiht ihnen dafür einfach das Bürgerrecht.

Söldner machen je nach Golfstaat um die 80 Prozent der Truppenbestände aus.
Autor: Zoltan Barany Professor University of Texas, Autor «Armies of Arabia»

In den obersten Dienstgraden finden sich zwar Saudis, Emiratis, Qatarer oder Kuwaiter. Doch ausgewählt werden sie nicht nach Leistung, sondern nach Stammeszugehörigkeit und Loyalität gegenüber dem Herrscher.

Es erstaunt deshalb wenig, wie abrupt die Golfstaaten nach der Abwahl von US-Präsident Donald Trump die zuvor feindselige Tonalität gegenüber dem Regionalrivalen Iran abschwächten.

«Scheinriesen»

Zwar behauptet der saudische Kronprinz Mohammed gegenüber dem emiratischen Medienhaus «The National», auch mit Joe Biden stimme man zu 90 Prozent überein. Bloss: Ganz so bedingungslos steht Biden nicht mehr hinter den arabischen Potentaten. Also mässigen sie ihre Rhetorik.

Zumal klar ist: Trotz modernerer Waffen und weit höherer Rüstungsausgaben hätten die Golfstaaten in einem militärischen Konflikt mit dem Iran keinen Stich. «Niemand im Iran hat schlaflose Nächte wegen der Streitkräfte der Golfaraber», drückt es Professor Barany aus. Deren Armeen seien bloss Scheinriesen.

Niemand im Iran hat schlaflose Nächte wegen der Streitkräfte der Golfaraber.
Autor: Zoltan Barany Professor University of Texas, Autor «Armies of Arabia»

Echo der Zeit, 27.10.2021, 18:00 Uhr

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